Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)
Doch erst als Jenks warnend mit den Flügeln klapperte, wandte er sich wieder Felix zu.
»Ich kann nicht«, sagte dieser mit gebrochener Stimme. »Nina hat mir die Sonne gezeigt, und ich habe zu lange hineingestarrt. Ich kann das Licht nicht wieder vergessen, jetzt, wo ich wieder weiß, wie es aussieht.«
Ich holte Luft, um etwas zu sagen, doch dann erstarrte ich, als Felix den Blick hob und ich den allumfassenden Schmerz in seinen Augen sah. Er war hierhergekommen, damit ich ihn umbrachte. Er wollte sein untotes Leben been den, aber es kostete ihn zu viel Mut, in die Sonne zu treten.
»Lasst Nina in Ruhe«, sagte Cormel und wandte mir den Rücken zu. »Gebt ihr etwas Zeit.«
Felix zitterte wie ein Drogensüchtiger auf Entzug, und vielleicht war er das auch. »Ich kann es nicht. Ich kann nicht«, erwiderte er schwach. »Die Sonne ruft mich. Gott, es ist zu einfach … und durch sie bin ich lebendig. Ich bin lebendig.« Seine Miene hellte sich auf, wurde fast übermäßig schön. »Erinnern Sie sich an das Leben? Ich schon. Ich habe nicht genug bekommen, als ich noch lebte, weil ich zu früh starb. Warum halten Sie mich auf? Sie verstehen es nicht! Wie auch?«
Cormel hatte den Raum durchquert. Ungläubig beobachtete ich, wie der jüngere Untote den älteren tröstete. »Ihr wisst, dass es nie genug sein wird«, sagte er und legte eine Hand auf Felix’ Schulter. »Ihr habt die Sonne verloren. Wenn Ihr sie nicht gehen lasst, wird sie Euch umbringen. Nina ist zu hell.«
Felix leckte sich über die Lippen, und sein Blick wurde verwirrt. »Nina liebt mich.«
»Ihr bringt sie um«, erklärte Cormel, während ich mich fragte, ob ich besser hätte gehen sollen, als sich die Chance dazu geboten hatte. »Ivy hat recht damit, Nina Kontrolle zu lehren. Lasst Nina ihre Zeit leben.«
Felix atmete tief durch. »Ich brauche sie!«, schrie er. Sofort wurde das Brummen von Jenks’ Flügeln lauter. »Wer sind Sie, mir das zu verweigern! Sie sind ein Welpe!« Er tigerte auf und ab, ohne je näher zu kommen oder sich wirklich zu entfernen. »Ein armseliger, sabbernder Welpe, der noch an den Rändern seiner Wurfkiste schnüffelt, unfähig, die Abgründe des Schmerzes dahinter zu sehen!«
»Vielleicht!« Cormel stand absolut still und senkte nur ein wenig den Kopf. »Aber ich, Sir, weiß, dass es besser ist, nicht hinzusehen. Ich glaube die Lüge, und so überlebe ich einen weiteren Tag. Ihr könnt Nina nicht länger haben. Ich werde Euch kein Recht auf Rachel oder Ivy einräumen. Die Dunkelheit wird Euch wieder wärmen, wenn Ihr der Sonne den Rücken zukehrt. Sir. Bitte. Es ist noch nicht zu spät.«
Felix wirbelte herum und kauerte sich zusammen. Die Rockschöße seines maßgefertigten Anzuges zitterten als Zeichen seiner Wut. »Es ist mein Recht«, zischte er, während sein Blick langsam wieder dem Wahnsinn verfiel. »Ich hungere ihretwegen; sie allein befriedigt mich …«
Angst um Ivy brachte mich dazu, mich in Bewegung zu setzen, aber Cormel stoppte mich mit einer hochgerissenen Hand.
»Ihr könnt keine Vergeltung an Ivy üben«, erklärte er bestimmt. Etwas hatte sich verändert. Seine Stimme war immer noch respektvoll, aber nun wirkte er nicht länger wie ein untergeordneter Vampir. Und nach Felix’ rot anlaufendem Gesicht zu schließen, hatte er es auch bemerkt. Es war zu spät für ihn. Felix konnte nicht loslassen; er konnte nicht mehr werden, was er einst gewesen war. Nun ging es nur noch darum, es zu Ende zu bringen.
»Ihr favorisiertes Kind stiehlt von mir. Ich verlange Entschädigung!«
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Jenks und erkannte, dass auch er die Veränderung bemerkt hatte. Felix war nicht länger ein funktionierender untoter Vampir, sondern ein Kranker, den man bei Laune halten und belügen musste. Er war alt, vergesslich und litt an mangelnder Selbstkon trolle. Er hatte sich das selbst angetan. Ich hatte Mitleid mit ihm, weil ich mich daran erinnerte, noch vor drei Tagen den kontrollierten, selbstbewussten Vampir in Ninas Augen gesehen zu haben. Er hatte gewusst, dass das passieren würde, und doch hatte er Nina wieder als Sprachrohr benutzt – nur, um die Sonne zu sehen.
»Ich werde Euch entschädigen, aber nicht mit Ivy oder Rachel«, erklärte Cormel. Mein Mitgefühl mit Felix wuchs, als er fast wimmerte.
»Ivy könnte mich befriedigen«, jammerte er. Er wirkte häss lich, obwohl er versuchte, seine Gefühle zu verstecken. Doch Felix war zerbrochen und konnte nicht mehr geheilt
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