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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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gestehe, er hat sie wirklich geliebt. Er wusste, dass es möglich war. Die ganze Familie wusste, dass unser Großvater …« Sie lief rot an, dann verbarg sie ihre Verlegenheit hinter ihrer Teetasse. »Mein Großvater war kein höflicher Mann.«
    Diana packte Wills Mütze vom Boden und reinigte sie mit unruhigen Bewegungen von anhaftenden Zweigen. »Die Dryaden sind fürchterlich naiv, glauben alles, was man ihnen erzählt. Wenn sie schwanger werden, können sie nicht in ihren Baum zurückkehren, weil sie etwas in sich tragen, was ihrer Natur vollkommen fremd ist. Wenn das Baby endlich geboren ist, können sie gar nicht mehr in ihren Baum zurückkehren, weil sie sich einfach schon zu weit von ihm entfernt haben.« Angewidert warf Diana ihm seine Mütze an die Brust. »Danach leben sie nicht mehr allzu lange.«
    Will hatte genug gehört. Er stand auf, und Diana sah wütend zu ihm auf. »Du hast sie gesehen!«, schrie sie und deutete mit dem Finger auf den nächsten Baum. »Welche Farbe hatte ihr Haar? Was hatte sie an? Du erinnerst dich nicht, oder? Und das wirst du auch nicht, außer in den flüchtigen Momenten zwischen Schlafen und Wachen! Warum kannst du nicht einfach glauben!« Ihre Stimme wurde sanfter. »Es ist gar nicht so schwer – daran zu glauben.«
    Langsam sank Will wieder zu Boden. Sie hatte recht. Er konnte sich nicht erinnern. Er wusste nur noch, wie die Frau sich angefühlt hatte. Sie war fleischgewordener Überlebenswillen, unbarmherzig und gleichgültig. Eine Essenz, sonst nichts. Sie war zu unwirklich gewesen, um wirklich zu sein.
    Wills Augen huschten zwischen den schweigenden, grauen Stämmen umher. Was zum Teufel dachte er da? Er war Forstwissenschaftler, um Himmels willen! Er konnte nicht an Märchen glauben!
    »Gibt es wirklich Märchen, die nicht zumindest ein Körnchen Wahrheit enthalten?«, fragte Ms. Temson. Es schien, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Dryaden geschehen einfach. Schösslinge, die aus dem Samen eines Dryadenbaumes wachsen, scheinen sich früher zu entwickeln, aber das ist nicht immer so. Sie sind eifersüchtige kleine Wesen und reißen alles in der Umgebung der Wurzeln aus, sobald sie stark genug sind, ihren Baum zu verlassen.«
    »Die Kreise gesäuberter Erde.« Will schüttelte sich ein wenig. Das war nicht rational. Aber da waren ihre Augen gewesen. Er erinnerte sich an ihre Augen. »Sie sind wunderschön«, hauchte er.
    »Sie sind wild und gefährlich.« Diana sah von ihren Crackern mit Marmelade auf. »Wenn die Wurzeln zweier Dryadenbäume sich treffen, versuchen sie, den Baum der anderen zu töten.« Diana verzog das Gesicht, schloss das Marmeladenglas und packte es weg. »Gewöhnlich sterben sie dann beide.«
    Ms. Temson richtete sich auf. »Jetzt verstehst du, warum ich niemals eine Axt in meine Wälder lasse – auch wenn mich alle für verrückt halten.«
    Will sah auf. Es war ein Witz. Es musste ein aufwändig ein gefädelter Witz sein. Die gesäuberten Erdkreise, die Frauen selbst.
    »Oh, natürlich kann man sehen, welche Bäume eine Dryade entwickelt haben und davon absehen, sie zu fällen«, meinte die alte Dame. »Aber die Erschütterungen, die beim Fällen eines Baumes entstehen, hallen von Wurzel zu Wurzel wider, bis der gesamte Wald es fühlt.« Sie runzelte die Stirn. »Mein Großvater hat es mit selektiver Ausdünnung versucht. Das hat sie für fast zehn Jahre in ihre Verstecke getrieben. Bäume haben ein schrecklich gutes Gedächtnis, weißt du. Seitdem haben wir gelernt, die Wiese als Puffer zu bewahren, um meine … ähm … die Wälder in eine Art Insel zu verwandeln. Aber man braucht viele Morgen voller Bäume.« Ms. Temsons Blick wurde leer, als sie in die Vergangenheit schaute. »Arthur und ich haben unzählige Jahre lang Bäume gepflanzt. Wir haben zwanzig Morgen an den Rändern hinzugefügt, und die Dryaden haben angefangen, in ganzen Sätzen zu reden. Zwanzig Morgen mehr, und sie fingen an zu singen, zu tanzen und Verse zu erfinden.«
    Diana fischte mit dem kleinen Finger in ihrem Tee herum, um einen Käfer zu retten. »Wie klug sie sind, hängt nicht vom Alter ihres Baumes ab, sondern davon, wie nah er am Mittelpunkt des Waldes steht. Wenn ein Baum stirbt, betrachten sie diesen Flecken Erde als heilig und fassen nichts darunter an.« Mit einem Stirnrunzeln gab sie auf und kippte einfach die Tasse aus. »Ziemlich abergläubisch, aber so bekommt ein neuer Baum die Chance, Wurzeln zu schlagen.«
    Will zuckte zusammen, dann schüttelte

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