Blutseele
in einem ganz neuen Licht erschien. »Boyd …«
»Hör mir zu«, unterbrach er sie. Aber sie schüttelte den Kopf. Ihr Puls raste. Hoc wimmerte. Boyd war seit dem ersten Tag ihr Partner, ihre Ersatzfamilie, nachdem sie alle außer ihrer Großmutter verloren hatte. Er konnte nicht einfach verschwinden!
»Jeder nutzt ab und zu Koffein. Du weißt, wann du aufhören musst. Du bist nicht süchtig!«
»Würdest du bitte den Mund halten!«, sagte er laut. »Ich versuche hier, dir etwas zu erklären!«
Grace klappte den Mund zu, aber ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie spürte Panik. Ihre Welt veränderte sich, und sie konnte nichts dagegen tun.
»Grace, ich verliere die Kontrolle«, erklärte er sanft und nahm ihre Hände in seine. »Ich booste schon seit drei Jahren, um Schritt zu halten. Ich dachte, ich könnte damit umgehen. Es tut mir leid. Ich hätte es dir früher sagen müssen. Ich weiß, dass du Angst hast.«
»Ich habe keine Angst«, entgegnete sie mit trockenem Mund.
»Ich habe meine Möglichkeiten mit Jason durchgesprochen. Ich werde auf die Insel gehen, um mich entgiften und neu beurteilen zu lassen.«
»Lügner«, flüsterte sie, und sein Augenwinkel zuckte. Es gab nur einen Grund, warum jemand so spät in seiner Karriere auf die Insel ging. Er würde sich ausbrennen lassen, um normal zu werden. »Du bist mein Partner«, flehte sie und setzte sich ihm gegenüber in den Stuhl, ohne seine Hände loszulassen. »Ich will keinen anderen.«
Boyd lächelte. Als er ihr eine Hand entzog und ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr strich, sah er aus wie der Vater, den sie sich immer gewünscht hatte. »Ich bin bereit, es gut sein zu lassen«, sagte er mit zusammengekniffenen Augen. »Und du bist bereit für einen neuen Partner. Du bist nicht zu alt, um einen neuen Werfer auszubilden. Vielleicht sogar diesen Jungen, der uns entkommen ist. Zach hat eine echte Begabung. Jede Menge Macht. Er braucht nur ein wenig Anleitung. Wie du vor nicht allzu langer Zeit.«
»Boyd«, protestierte sie. Ihre Brust schmerzte, aber er schüttelte den Kopf. Er würde sich ausbrennen lassen. »Tu das nicht. Bitte.«
In den Augen des älteren Mannes stand Schmerz, als er Luft holte, um etwas zu sagen. Dann zögerte er, weil es leise an der Tür klopfte. Sie beide sahen auf, als Jason wieder in den Raum trat, dann wischte Grace sich kurz die Augen und stand auf. Sie weinte nicht, verdammt.
»Ähm, könnte ich einen Moment mit Grace sprechen?«, fragte Jason unsicher. »Geschäftlich …«
Geschäftlich. Als hätte Boyd bereits nichts mehr mit der Agentur zu tun. Aber Boyd bedeutete ihr, dass sie gehen sollte, und auf seinem Gesicht lag dasselbe traurige Lächeln, das er schon bei ihrer Ankunft zur Schau getragen hatte.
»Los, geh«, drängte er, entzog ihr seine Hand und deutete auf die Tür. »Tu Gutes. Ich bin stolz auf dich, Grace. Du wirst viel weiter kommen als ich. Deswegen habe ich diesen Job angenommen. Ich hätte mich schon vor langer Zeit zur Ruhe setzen sollen, aber ich wollte ein paar Jahre mit dir arbeiten, um später sagen zu können, dass ich dabei war, als du zur besten Agentin wurdest, mit der die Agentur je gesegnet war.«
»Boyd, das ist absoluter Schwachsinn …«
Jason räusperte sich, und Boyd blickte an ihr vorbei. »Deine Kontrolle entgleist.« Er kraulte Hoc das Halsfell. »Ciao, Sportsfreund. Halt Grace davon ab, allein zu sein, okay?«
Hoc drehte sich um und trottete aus dem Raum, als Jason mit den Fingern schnippte. Graces Gesicht wurde heiß, und sie starrte auf ihren Monitor. »Meine Kontrolle ist prima«, sagte sie, aber Boyd hob nur die Arme und zog sie an sich. »Das ist Dreck, weißt du das?« Sie fühlte sich, als würde sie Boyd nie wiedersehen. »Wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann …«
»Du hast es gerade getan«, antwortete er und sah lächelnd – immer lächelnd – an ihr vorbei. »Du solltest besser gehen. Ich schicke dir nächste Woche eine E-Mail und beschreibe dir, wie ein doppelter Espresso schmeckt.«
Mit verkrampftem Magen wandte sie sich ab. »Ich werde Zach für uns beide erwischen.«
»Ich weiß. Mach die Tür zu, wenn du gehst, okay?«
Grace war schlecht. Wie betäubt verließ sie den Raum. Dann lehnte sie sich von außen gegen die geschlossene Tür und bemühte sich, nicht zu weinen. Es war hart, Boyd so zu sehen. Er war kein Koffeinsüchtiger. War er nicht! Was sollte sie nur tun? Sie wollte keinen anderen Partner, aber alleine würde man sie nicht
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