Blutseele
davon verschlungen. »Du siehst gut aus.«
Boyd lächelte und salutierte mit seinem Löffel, bevor er sich noch eine Ladung in den Mund schob. Er wirkte blass. Bleicher, als durch den Energieverlust zu rechtfertigen war. Besonders, nachdem seine Anstrengungen gestern von Kof fein gepusht worden waren. Die einfallende Sonne erzeugte Schatten auf seinem Gesicht, die seine Falten betonten. Si cher, Boyd war schon Ende fünfzig, aber blitzgescheit. Schon in drei Tagen wären sie wieder unterwegs, um nach Zach zu suchen.
Aber warum ist Jason hier?
»Warum bist du hier?«, fragte sie geradeheraus, als der Mann in die Hocke ging, um Hoc zu streicheln. Der Hund hatte ihn immer gemocht. Jason war bei ihr gewesen, als sie Hoc aus dem Tierheim gerettet hatte.
Jason sah auf, und als ihre Augen sich trafen, stockte ihr vor Erinnerungen der Atem. »Ich habe nach dir gesucht«, antwortete er einfach. Sie biss die Zähne zusammen, als seine Stimme sie durchfuhr und noch mehr Erinnerungen aufwühlte. »Ich dachte, ich könnte es mal hier versuchen, nachdem die Krankenschwestern sagten, du wärst gegen ihre Anweisungen verschwunden.«
»Noch nicht, aber ich arbeite daran.« Sie wusste, dass er nach Waffenöl und Leder riechen würde, wenn er näher kam. Wieder zwang sie ihre Zähne auseinander. »Wie geht es dir?«, fragte sie Boyd.
Der ältere Mann beäugte seine beiden Besucher, doch sein Löffel stand keinen Moment still. »Gut. Ich bin nicht derjenige, den sie bewusstlos aufgefunden haben.«
Grace senkte einen Arm, um den Hund von Jason abzurufen. »Hoc ist mein Partner. Für dich hätte ich dasselbe getan.«
»Und soweit ich gehört habe, wäre es fast nötig geworden«, sagte Jason leise, den Blick abgewandt.
Grace presste die Lippen aufeinander, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich auf das ungemachte Bett, ein Bein angezogen, um sich Jason zuwenden zu können. »Haben sie dich schon hinter einen Schreibtisch verbannt?«
»Nein, aber sie bemühen sich.«
Verdammt, er lächelte sie an. Sie kämpfte darum, nicht wütend zu werden. Es war nicht seine Schuld, dass man ihn befördert hatte. Sondern ihrer, weil sie nicht mit ihm Schritt gehalten hatte. Sie arbeitete gerne mit Boyd, wollte gar nichts ändern. Und doch …
Beide Männer schwiegen, und plötzlich wurde Grace unsicher. »Was?«, fragte sie ausdruckslos. Boyd legte den Löffel ab.
»Grace«, setzte der ältere Mann an. Sie versteifte sich und sah zwischen Boyds resignierter und Jasons unglücklicher Miene hin und her.
Dreck . »Es geht dir gut«, sagte sie schnell. »Schau dich an. Dieser unregistrierte Werfer hat Energie gezogen, als gehörte er schon drei Jahre der Agentur an. Du hast genau die richtige Menge Strom verwendet, um ihn aufzuhalten. Nicht mehr. Es wird dich nur ein oder zwei Tage kosten, dein Gleichgewicht wiederzufinden.«
»Grace.«
»Zur Hölle, es wird mich mindestens so lange kosten, mein Gleichgewicht wiederzufinden.«
»Grace, ich lasse mich auf die Insel überweisen.«
Sie atmete aus, ohne danach wieder einzuatmen. Ihr war kalt, als sie sich auf dem Bett zurücklehnte, weil sie sich fühlte, als hätte man ihr in den Magen getreten. »So schlimm steht es nicht …«, flüsterte sie. Es störte sie, dass Jason dort stand, mit einem mitleidigen Ausdruck im Gesicht.
»Kurzzeitig. Zur Beurteilung«, erklärte Boyd, aber er sah sie nicht an, sondern schob stattdessen sein Tablett über den Tisch. Er log.
»Aber du siehst super aus!«, sagte Grace wieder. Die Hälfte der Kinder, die sie einsammelten, wurde auf die Insel geschickt. Die Einrichtung war zum Teil Krankenhaus, zum Teil psychiatrische Klinik, zum Teil Metzgerei. Dort brannten sie den Kindern ihre Gabe aus, wenn sie sich als Gefahr für die Gesellschaft entpuppten oder nicht innerhalb des Systems arbeiten wollten.
Boyd rutschte auf seinem Stuhl herum. Plötzlich wirkte er in seinem weißen Bademantel alt. »Hier geht es mir prima«, erklärte er, ergriff ihre Hand und legte die Finger seiner anderen Hand leicht an seine Stirn. »Im Gegensatz zu hier«, meinte er dann und drückte ihre kalten Finger gegen sein Herz.
Jason räusperte sich unangenehm berührt und schob sich Richtung Tür. »Entschuldigt mich, ich muss jemanden anrufen«, sagte er, bevor er leise die Tür hinter sich schloss.
Feigling , dachte sie, bevor ihre verwirrte Bestürzung sich in Wut verwandelte. »Sie zwingen dich dazu, oder?«, fragte sie hitzig, weil Jasons Gegenwart ihr plötzlich
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