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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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wandte er sich an mich. Er kniff seine ausdrucksstarken Augen zusammen, als er mich fragte: »Wie lange wissen die Menschen schon von uns, und wie haben wir es überlebt, ihnen dieses Wissen preiszugeben?«
    Ich nickte und erinnerte mich an Pierce’ Entsetzen, als im Einkaufszentrum zwei Hexen angefangen hatten zu flirten, indem sie sich kleine Zauber an den Kopf warfen. »Wir haben uns vor ungefähr vierzig Jahren geoutet.«
    »Geoutet …«
    Ich musste grinsen. »Tut mir leid. Wir haben ausgepackt … ähm … wir haben ihnen gesagt, dass wir existieren, nachdem ein Virus, das in Tomaten versteckt war – eine Art von Pest – anfing, Menschen zu töten. Ihre Zahl wurde um ungefähr ein Viertel reduziert. Sie hätten sowieso von uns erfahren, weil wir nicht gestorben sind.«
    Pierce starrte auf meinen wippenden Fuß und lächelte ein wenig. »Ich war schon immer geneigt zu sagen, dass Tomaten die Frucht des Teufels sind«, meinte er. Dann sah er mich an und wedelte mit der Hand, um das Gebäude zu umfassen. »Das ist in vier Jahrzehnten geschehen?«
    Ich zuckte mit den Schultern und rammte meine Stiefelspitze in den engmaschigen Teppich. »Ich habe nicht behauptet, es wäre einfach gewesen.«
    Er verschränkte die Beine und rieb sich den Bart, als wäre ihm in diesem Moment aufgefallen, dass nicht viele Männer einen trugen. Er war seit unserem Einkaufstrip sehr still gewesen, aber offensichtlich hatte er alles aufgenommen und verarbeitet. Selbst seine Worte, so wenige es auch gewesen waren, klangen schon … weniger seltsam.
    »Euer Bruder«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf Robbie, »sagte, Ihr wollt Euer Leben dem hier widmen?«
    Ich lächelte ein wenig verlegen. »Der I.S., ja.« Plötzlich runzelte ich besorgt die Stirn. »Warum? Findest du, ich sollte es nicht tun?«
    »Nein«, beeilte er sich zu sagen. »Der Wunsch einer Toch ter, einem Elternteil in seinem Beruf zu folgen, ist recht mäßig.«
    Es überraschte mich, dass er wusste, dass mein Dad für die I.S. gearbeitet hatte, bis ich mich an unser Gespräch im Bus erinnerte. »Oh. Das hast du gehört.«
    Er zog ein wenig den Kopf ein. »Ja, Mistress Hexe. Und wer bin ich, Euch sagen zu wollen, dass der Beruf, die Hilflosen zu beschützen, zu gefährlich sei? Ich lebe dafür.«
    Ich fühlte eine Verbindung zwischen uns und hatte das Gefühl, dass er wirklich verstehen konnte. Pierce allerdings schenkte mir nur ein trockenes Lächeln. »Habe dafür gelebt«, korrigierte er sich säuerlich.
    Weil ich es so gewohnt war, meinen Berufswunsch verteidigen zu müssen, reckte ich das Kinn. »Ich werde jedes Jahr stärker«, sagte ich, als hätte er mir widersprochen. »Ich meine, wirklich stärker.«
    »Ihr wart krank?«, fragte Pierce, scheinbar wirklich besorgt.
    Ich nickte und fügte dann, weil ich das Gefühl hatte, dass er Ehrlichkeit verdient hatte, hinzu: »In gewisser Weise bin ich immer noch krank. Aber es geht mir viel besser. Das sagen alle. Meine Ausdauer wird immer besser. Ich habe Kurse besucht, um nicht wieder einzubrechen, und ich war schon fast vier Jahre nicht mehr im Krankenhaus. Ich hätte sterben müssen, also sollte ich mich wirklich nicht beschweren, aber ich will das tun, verdammt noch mal. Sie können mich nicht wegen meiner Gesundheit ausschließen. Ich habe den schwarzen Gürtel und alles.«
    Ich brach ab, nicht nur, weil ich bemerkte, dass ich die erste verständnisvolle Person, die ich je gefunden hatte, volllaberte, sondern weil ich dabei auch noch fluchte. »Tut mir leid«, sagte ich und rammte wieder meine Stiefelspitze in den Teppich. »Für dich war das wahrscheinlich Fäkalsprache.«
    Pierce gab ein leises Geräusch von sich, weder anklagend noch bestätigend. Er musterte mit leichter Verwunderung meinen Bauch. »Ihr seid voller Leidenschaft«, sagte er schließlich, und ich lächelte erleichtert. Ich wusste, dass er bei Sonnenaufgang verschwinden würde, aber ich wollte ihn trotzdem nicht entfremden. Ich mochte ihn, auch wenn er ein Geist war. Oh Gott, ich werde mich nicht in ihn verknallen .
    »Ich stehe in den Medizinbüchern, weißt du?«, sagte ich, um ihn mein loses Mundwerk vergessen zu lassen. »Die einzige Überlebende des Rosewood-Syndroms.«
    Er zuckte überrascht zusammen und wandte den Blick von Robbie ab, der sich immer noch mit dem Beamten her umstritt. »Ihr … Rosewood-Syndrom? Ihr habt überlebt? Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder dadurch verloren, verschieden, bevor sie drei Monate alt waren.

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