Blutseele
war eine Gnade, und ihr schöner weißer Körper wurde im Schnee der Sonnenwende gefunden und beweint. Sie konnte genauso wenig sprechen, um mich zu retten, wie ein Stock. Dass ich Zeichen der Haftbarkeit an meiner Person und meinem Besitz aufwies, sorgte dafür, dass meine Worte nichts mehr galten. Sie ruderten mich die ganze Nacht zu ihrem Vergnügen über den salzigen Fluss, bis es fast eine Erlösung war, lebendig in unheiliger Erde begraben zu werden. Das hier«, sagte er und schüttelte wieder das Papier, »ist dieselbe schwarze Brut. Er hat ein weiteres Kind gestohlen, und wenn ich ihn nicht aufhalte, wird er ihre Seele bei Sonnenaufgang beschmutzen. Nichts zu unternehmen wäre ein Verbrechen wider die Natur.«
Ich starrte ihn beeindruckt an: »Wow.«
Robbie verschränkte die Arme vor der Brust. »Er ist ziemlich poetisch, hm?«
Pierce runzelte die Stirn und musterte Robbie mit finsterer Miene.
»Ich glaube, er sagt die Wahrheit«, erklärte ich in einem Versuch zu helfen, aber der kleine Mann schien danach, wenn möglich, nur noch mehr vor den Kopf gestoßen zu sein.
»Was sollte ich durch eine falsche Aussage gewinnen?«, fragte er. »Es ist dieselbe süße Unschuld, die mich hier anblickt, wie in meiner Erinnerung. Diese vermaledeite Brut überlebte, wo ich sterben musste, aber nachdem ich nun selbst tot bin, kann ich vielleicht jetzt der Gerechtigkeit Genüge tun. Ich gehe davon aus, dass ich nur bis Sonnenaufgang Zeit habe. Dann wird der Zauber vergangen sein, und ich kehre ins Fegefeuer zurück. Wenn ich sie retten kann, rettet das eventuell auch meine Seele.«
Er hielt in plötzlicher Betroffenheit über seine eigenen Worte inne und blinzelte. Robbie murmelte etwas, was ich nicht verstand.
»Ich muss mich dem Problem eine Weile widmen«, sagte Pierce leise, während er aus dem Fenster auf die hohen Gebäude um uns herum starrte. »Die Brut ist dafür bekannt, dass sie nur widerwillig ihre Bollwerke wechselt. Ich bin gesonnen anzunehmen, dass er sich weiterhin in derselben Höhle befindet. Eine wahre Festung, abgelegen in den Hügeln, allein und abgeschieden.«
Abgelegen in den Hügeln, allein und abgeschieden, kostete wahrscheinlich inzwischen eine Menge Grundsteuer, war überlaufen und stand in der Mitte einer Trabantenstadt. »Ich habe zu Hause eine Karte«, sagte ich.
Pierce lächelte, und sein gesamtes Gesicht leuchtete auf. Das Glitzern in seinen Augen war erwartungsvoll, und ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass ich ihm bis zum letzten Tag helfen wollte, wenn ich nur noch einmal diesen Dank in seinen Augen sehen könnte. Nie zuvor hatte jemand meine Hilfe gebraucht.
Noch nie.
»Hey, wartet mal«, sagte Robbie und wandte sich uns beiden zu. »Wenn du diesen Vampir kennst und zu wissen glaubst, wo er ist, dann prima. Aber wir sollten zur I.S. gehen und dafür sorgen, dass sie sich darum kümmern.«
Aufgeregt holte ich Luft: »Ja! Die I.S.!«
Pierce’ Begeisterung fiel in sich zusammen. »Die I.S.?«
Robbie sah aus dem Fenster, wahrscheinlich, um einzuschätzen, wo wir gerade waren. »Inderland Security«, sagte er und drückte auf den Halteknopf. »Sie überwachen die Inderlander, nicht die Menschen. Hexen, Werwesen, Vampire und alles andere.« Er sah mich trocken an. »Meine Schwester möchte dort arbeiten, wenn sie mal groß ist.«
Ich lief rot an, aber wenn ich es nicht mal vor einem Geist eingestehen konnte, sollte ich das Ganze vielleicht gar nicht erst versuchen.
Pierce kratzte sich mit der freien Hand am Bart. Ich hoffte, dass es einfach nur ein alter Reflex war. »Dieser Art war auch meine mitternächtliche Tätigkeit«, sagte er, »aber es wurde nicht so genannt. Die I.S.«
Der Bus schwankte und kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Pierce bewegte sich nicht und umklammerte die Stange, während Robbie und ich schon aufstanden, bevor der Wagen hielt. Ich wartete auf Pierce und ließ ihn vorgehen, als wir ausstiegen.
Die Kälte traf mich wie ein Schlag, und ich blinzelte in die Winternacht, während der Bus davonfuhr. »Willst du auf den Bus warten, der in die Stadt zurückfährt?«, fragte ich, und Robbie schüttelte den Kopf, das Handy bereits am Ohr.
»Ich rufe ein Taxi«, sagte er. Er wirkte, als wäre er steifgefroren.
»Gute Idee«, erklärte ich, da mir sogar trotz Mantel, Handschuhen und Mütze kalt war.
»Wir müssen noch ins Einkaufszentrum«, sagte Robbie, »und ich will keine Zeit verschwenden.«
»Das Einkaufszentrum?«, fragte ich, als wir uns
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