Blutseele
anderen ließ er die Banshee-Träne auf das Klemmbrett des eintretenden Beamten fallen. Der Werwolf zuckte zusammen, aber dann schaute er mit tränenden Augen auf. »Hoppla!«, sagte er und rümpfte die Nase. »Was habt ihr zwei hier drin getrieben?«
»Nichts.« Ivy fühlte sich klein und kalt, als sie in ihrer Lederkleidung in der Mitte des Raumes stand und zuhörte, wie Art sich von Rat und Tia verabschiedete. Sie zwang ihre Hände vom Hals, um zu zeigen, dass er makellos war.
»Das riecht nicht nach nichts«, spöttelte der Mann. »Riecht, als hätte jemand …«
Ivy starrte ihn so böse an, dass er verstummte. Adrenalin schoss durch ihre Adern, diesmal ausgelöst von Sorge. Sie hatte einen Tatort mit ihrer Angst verunreinigt, aber in den Augen des Mannes stand Mitleid, nicht Empörung.
»Bist du okay?«, fragte er leise, sein Klemmbrett an die Brust gedrückt, während er offensichtlich erriet, was passiert war. In diesem Raum war zu viel Angst für nur eine Person, selbst für jemanden, der ermordet worden war.
»Prima«, sagte sie kurz angebunden. Psychische Angst level wurden nur aufgezeichnet, wenn eine Banshee beteiligt war. Dass sie nicht gewusst hatte, dass es so war, war keine Entschuldigung. Sie würde auf jeden Fall gerügt werden, und es würde noch schlimmer werden, wenn Art sie erpressen wollte. Und das würde er tun. Verdammt, konnte sie es ihm noch einfacher machen? Mit rotem Gesicht hob sie den Rest der Asservatentüten auf und gab sie dem Werwolf.
»Ich verstehe nicht, wie ihr mit den Toten arbeiten könnt«, sagte der Mann und versuchte, ihren Blick aufzufangen, aber Ivy ließ es nicht zu. »Hölle, ich klemme meinen Schwanz über die Eier, wenn sie mich nur anschauen.«
»Ich habe gesagt, mir geht’s prima«, murmelte sie. »Ich will, dass gesaugt wird, abgestaubt und fotografiert. Macht euch nicht die Mühe, ein Angstlevel-Profil zu erstellen. Ich habe es verunreinigt.« Sie hätte den Mund halten können, aber lieber wurde sie offiziell gerügt als von Art erpresst. »Verheimlicht die Träne vor der Presse«, fügte sie hinzu und schaute auf den Kristall, der so klein und harmlos auf sei nem Klemmbrett lag. »Das Letzte, was wir brauchen können, ist eine stadtweite Panik, sodass wir jedes Mal angerufen werden, wenn Teenies wegen ihrer Freunde heulen.«
Der Mann nickte. Sein Bartschatten war dunkel. Ivy unter drückte den Gedanken, wie es sich wohl anfühlen würde, erst ihre Finger und dann ihre Zähne darüber gleiten zu lassen, und stiefelte aus dem Raum, auf der Flucht vor der Angst der ermordeten Frau. Ihr gefiel nicht, dass sie genauso roch wie ihre eigene Angst.
Ivy durchquerte schnell das Wohnzimmer und den Flur und bemühte sich, nicht zu atmen. Sie hätte es planen und sich nicht lächerlich machen sollen, indem sie versuchte, einer Eingebung zu folgen. Wegen ihrer Fehleinschätzung hatte Art sie jetzt am Genick. Es würde unmöglich sein, ihm den Rest des Tages aus dem Weg zu gehen. Vielleicht konnte sie sich mit Recherche über Banshees beschäftigen. Die Akten wurden in den oberen Stockwerken aufbewahrt. Art würde ihr vielleicht folgen, aber das Inderlanderverhältnis da oben tendierte überwiegend zu Hexen und Werwölfen. Also waren dort oben nicht nur die Pheromonlevel geringer, sondern es war auch einfacher, früher nach Hause zu gehen, weil der gesamte überirdisch liegende Teil des Hochhauses sich um Mitternacht leerte. Hexen und Werwölfe arbeiteten Schichten von drei Uhr bis Mitternacht. Nur in den unterirdischen Büros wurde nach dem sich jahreszeitlich verschiebenden Sonnenuntergang-bis-Sonnenaufgang-Schema gearbeitet.
Wein, dachte sie und zwang sich dazu, selbstbewusst und unbesorgt zu wirken, als sie auf der Schwelle des Apartmenthauses stand und feststellte, dass der erste Nachrichtenwagen bereits angekommen war. Sie würde auf dem Heimweg zwei Flaschen Wein holen, damit Kisten betrunken genug war, um sich nicht darum zu kümmern, wenn sie ihn verletzte.
3
Trotz ihrer Vorsätze, um Mitternacht zu gehen, war die Sonne bereits aufgegangen, als Ivy auf ihrer Maschine durch den morgendlichen Berufsverkehr glitt, auf dem Weg ins Hafenviertel und zu dem weitläufigen Apartment über Piscarys Restaurant, das sie und Kisten sich teilten. Dass sie für die Truppe arbeitete, die den Untergrund überwachte, den Piscary kontrollierte, war nicht überraschend oder unabsichtlich, sondern besonnene Planung. Obwohl er nicht auf der Gehaltsliste stand, lenkte Piscary
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