Blutseelen 03: Laira: Erotischer Vampirroman (German Edition)
Finsternis der Steine. Au’ree schüttelte den Kopf. Was für ein unsinniger Gedanke. Was, bei allen Überschwemmungen des Nils, sollte furchterregender sein als er oder Lai’raa? Er fürchtete nichts und niemanden, weder Tier noch Mensch.
Der Gang endete und führte in eine weitere Halle. Das Licht blieb hinter ihm zurück, der herbe Geruch nahm zu. Ihm war, als würde der Raum vor ihm die fernen Strahlen des Feuers schlucken. Mit ruhigen Händen entzündete er eine weitere Fackel aus seinem Vorrat und hob sie hoch. Er stand mitten in einem Raum, der dem Hauptraum des Tempels Hathors nicht unähnlich sah. Zahlreiche verzierte Säulen stützten die Decke ab. Mehrere Stufen führten in eine Vertiefung, die so lang war, wie sein Hauptgemach im Palast. Er stieg hinab und sah zwei Stelen, Grabsäulen, die ihn wie magisch anzogen. Sie ragten wie die Begrenzungen eines Tores mitten im Raum auf. Er wusste instinktiv, dass von ihnen das Gefühl der Bedrohung kam.
Blinzelnd betrachtete er die Steingebilde, die im Gegensatz zu der aufwendig verzierten Wand schlicht gehalten waren. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Um die Stelen waberte blutrotes Licht auf wie ein fernes Leuchten. Au’ree war ganz sicher, dass dieses Licht bis zu diesem Moment nicht im Raum geschwebt hatte. Es stieg auf wie ein leichter Nebel und umschloss die beiden Gebilde, die ihm mit einem Mal noch mehr wie ein Tor erschienen, dessen oberster Balken in den Schwaden verborgen lag.
Aza’el , flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Er umklammerte die Fackel fester. Aza’el.
„Aza’el“, sagte er laut. „Asiri’el. Name des Mar’duk. Nein. Das sind nur Märchen!“
Ammenmärchen, die ihm die Dienerinnen als Kind erzählt hatten, wenn er nicht schlafen konnte und begierig den Geschichten über Götter und Dämonen gelauscht hatte.
Komm näher , flüsterte die Stimme hämisch. Komm näher, Au’ree, dann merkst du schon, ob ich wirklich bin oder nur eine Fantasie. Sei mutig. Finde es heraus, stolzer Sohn Lai’raas. Erbe der Dunkelheit.
Au’ree machte unweigerlich einen Schritt nach vorn. Die Stimme klang zwingend, sie hatte ihn überrascht. Es gelang ihm nicht, sich ihr zu widersetzen. Obwohl sämtliche Alarmsignale in ihm anschlugen, ging er einen zweiten Schritt voran. Es wurde kälter. Seine Haut tauchte in unsichtbares Eiswasser.
Seine Gedanken überschlugen sich. Konnte es sein? Sprach da Aza’el, oder wurden Kräuter verbrannt, die zu Sinnestäuschungen führten? Er roch Räucherwerk und spürte zugleich den Sog, der ihn ergriffen hatte, und der ganz eindeutig von den Stelen ausging.
Noch näher , zischte es gierig. Noch viel näher. Mach Bekanntschaft mit deiner Herkunft, kleiner Prinz!
Aus dem roten Wabern zwischen den Steingebilden formte sich ein verwaschener Umriss. Er erinnerte Au’ree entfernt an einen Stier, zuckte im Schein der Fackel und wurde zu einem übergroßen Menschen mit schiefem Rücken.
Vorsicht! , warnte eine andere Stimme ihn. Das ist Aza’el. Es gibt die alten Dämonen. Du bietest dich ihm gerade als Opfer an. Denk an mich. Denk an Jara. Bleib stehen.
Au’ree verharrte. Die Stimme der Priesterin klang so eindringlich, als würde sie neben ihm stehen. Welcher Zauber war das? Hatte Jara ihm ein Vermächtnis geschenkt, das er erst in diesem Augenblick entdeckte?
Hör nicht auf sie, kleiner Prinz. Nur ein winziger Schritt noch , lockte der bucklige Schatten. Nur ein Schritt und ich habe endlich wieder etwas Gutes zum Fressen!
Der rote Nebel breitete sich aus, kam ihm entgegen. Angespannt sah Au’ree, wie das Wabern immer weiter auf ihn zu kroch. Fast hatten ihn die ersten Schwaden erreicht, als eine harte Hand seine Schulter packte und ihn zurückzog.
Er drehte sich um und erwartete, in das schöne Gesicht Jaras zu blicken. Doch es war Lai’raa, die vor ihm aufragte. Ihre Züge erschienen ihm im roten Leuchten unmenschlich und grausam. Gleichzeitig besaßen sie mehr Schönheit, als ein Mensch fassen konnte.
„Du wolltest also neugierig sein“, zischte sie drohend. „Die Überraschung verderben und schon vor deiner Zeit abtreten. Wie ungeduldig.“
Au’ree achtete nicht auf ihre Worte. Sein Herz schlug heftig, er hing noch ganz dem nach, was er entdeckt hatte. „Was ist das?“ Er fühlte sich, als sei er aus größter Hitze in kaltes Wasser gesprungen. Lai’raas Finger fühlten sich kühler an, als es irgendetwas in Ägypten sein durfte. „Was ist das für ein Ding in den
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