Blutseelen 03: Laira: Erotischer Vampirroman (German Edition)
doch waren sie keine Tiere. Ihre Bestimmung lag im Beherrschen der Welt, und Lai’raa hatte an diesem Tag deutlich gemacht, dass sie allein zu herrschen beabsichtigte.
Der Gang vor ihm endete an einer steilen Treppe. Au’ree stieg sie eilig hinab, auch wenn er nicht wusste, was ihn unten erwartete. Ihm blieb nicht viel Zeit. Der Weg zu Lai’raas Geheimnis war möglicherweise sehr lang, denn das alte Labyrinth erstreckte sich über einen ihm nicht bekannten Bereich viele Speerwürfe weit.
Der Tunnel um ihn her verbreiterte sich. Die Quader offenbarten sich im Licht. Wandmalereien begleiteten seinen Weg. Sie zeigten düstere Szenen von Opferungen und geheimen Ritualen. Neugierig nahm Au’ree die Bilder in sich auf. Immer wieder entdeckte er dabei Gestalten in dunklen Kutten, die im oberen Bereich des Palastes nicht dargestellt wurden. Ob es die Priester der Finsternis waren, mit denen Lai’raa angeblich vor Jahren ein Bündnis geschlossen hatte? Die Anhänger der Nachtbarke?
Vor ihm verbreiterte sich der Raum zu einem Dom von gigantischen Ausmaßen. Au’ree war viel tiefer unter die Erde gekommen, als gedacht. Fasziniert sah er in einigem Abstand aus Lehmziegeln gebaute Hütten. So unglaubwürdig das schien, hier unten lebten Menschen! Vorsichtshalber löschte er die Fackel. Es war nicht völlig finster. Seine sensiblen Augen nahmen einen Rest Helligkeit wahr, der von den Hütten kam. Dort vorn brannte ein kleines Feuer. Er roch den Rauch, der von einem Abzug nach oben geleitet wurde.
Wer lebte an diesem unwirklichen Ort? Der Dom lag in ewiger Finsternis. Die Strahlen des großen Himmelsauges trafen niemals auf die Steine, auf denen er ging. Neugierig geworden schlich er heran. Er war noch nicht ganz auf der Höhe des Feuers angekommen, als er hinter einer Lehmhüttenwand hervortrat und sich genau vor einem großen Mann wiederfand, der den Kopf in seine Richtung hielt.
Au’ree erstarrte. Der Fremde musste ihn direkt ansehen. Er trug eine dunkle Kutte mit Kapuze, an seiner Seite hing ein Krummsäbel. Seine Haltung war stolz, aufrecht, wie die eines Kriegers. Au’ree wog alle Möglichkeiten ab, inklusive der, dem Fremden mit einer knappen Bewegung den Hals zu brechen. Aber so weit musste er nicht gehen. Der Kuttenträger wandte sich von ihm ab, als wäre er uninteressant, und ging zu einem im Dunkeln kaum auszumachenden Schleifstein. Dort schien er mit dem Fertigen eines Säbels beschäftigt. Er setzte sich hin und begann die Kerben der Klinge zu bearbeiten, ohne weiter auf Au’ree zu achten. Es schien, als würde er ihn nicht einmal sehen. Wie konnte das sein?
Au’ree brauchte einen Augenblick, bis er das Offensichtliche in der Dunkelheit erkannte: Der Kuttenträger war blind. In seinen Augenhöhlen klafften dunkle Löcher, umgeben von runzligen Hautfetzen. Deshalb sah ihn der andere nicht. Einen Menschen hätte er vielleicht gehört, aber Au’ree war kein Mensch. Durch die lautlose Art seiner Bewegung blieb er unentdeckt.
Langsam zog er sich zurück und bewegte sich einem Schatten gleich durch das unterirdische Dorf. Insgesamt zwanzig Männer schienen dort zu leben. Jeder, den er traf, war geblendet worden. Die Augäpfel saßen nicht mehr in den Höhlen. Er zweifelte nicht daran, auf eine Gemeinschaft der Priester der Finsternis gestoßen zu sein. Was hatte Lai’raa vor? Lebten all diese Menschen für diesen einen Tag in der Finsternis? Vielleicht ging es um ein Ritual von gigantischem Ausmaß. Vielleicht aber auch um einen Götzendienst, der Verehrung eines Dämons, von dem das Volk Ägyptens nichts erfahren sollte. Er überlegte, einen der Priester zu befragen, doch die Gefahr, entdeckt zu werden, blieb zu groß.
Nachdem Au’ree eine geraume Zeit durch das Dorf gegangen war, fand er einen abzweigenden Gang, der vom Dom fortführte. Er nahm den Tunnel, dessen Seitenwände prächtig bemalt waren. Trotz des spärlichen Lichts erkannte er das ganze Ausmaß des Künstlertums. Ob die blinden Priester für die Ausstattung des Gangs verantwortlich waren?
Ein unangenehmes Prickeln lief über seine Haut. Je weiter er den Gang hinablief, desto kühler wurde es. Er spürte ein Gefühl von Bedrohung, das immer stärker wurde. Gleichzeitig lag ein ungewohnter Geruch in der abgestandenen Luft. Wie ein Beutetier seinen Jäger wittert, nahm auch er etwas wahr, das sich stärker und größer anfühlte als er selbst. Es wartete zusammen mit der Quelle des herben Duftes auf ihn, lauernd, geschützt durch die
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