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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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fischte es aus dem Beutel. »Schau.«
    »Vergiss es.« Kit setzte sich zu ihr. »Nach dem ganzen Gerede über den Tod will ich Daddy sehen. Zeig ihn mir.«
    »Worin?«
    »In einer von diesen Murmeln?«
    »Die sind zu klein.«
    »Im Bach?«
    »Zu groß.«
    »Ich weiß.« Kit ging zu den Fahrrädern, die müde an zwei Kiefern lehnten, und holte ihre Wasserflasche heraus. Dann kickte sie ihre flachen Schuhe weg, zog ihre Leggins aus und watete in ihrem schwarzen Bikini in den Bach. Dabei umging sie die skelettartigen Flusssteine, die Bony Creek seinen Namen gaben. Sie spritzte das klare, sonnige Wasser auf ihren Nacken, während sie die Flasche füllte.
    »Was ist damit, Goldlöckchen?«, fragte sie, als sie wieder bei ihrer Schwester war.
    »Genau richtig«, sagte Fancy mürrisch.
    Sie nahm Kit die Flasche ab und starrte in das klare Wasser. Nach kurzer Zeit verdunkelte es sich.
    Es war, als würde man einen kleinen Film sehen. Einen düsteren über einen dünnen Mann in einem orangefarbenen Gefängnisanzug, der sanft in einer improvisierten Schlinge aus Betttüchern schwang, die von der Decke der engen, grauen Zelle herabhing.
    Kit schnappte nach Luft. » Daddy?«
    Die Beine des Mannes zuckten bei Kits Stimme, dann flogen sie nach vorn, so hoch wie bei einer Cancan-Tänzerin, während Fancy leise die passende Melodie summte.
    Kit riss ihren Blick von dem tanzenden Mann in der Flasche los und starrte ihre Schwester böse an. »Das ist nicht lustig.«
    Fancy ließ den Cancan sein und summte stattdessen die Titelmelodie von Charlie Brown . Sofort gab der Mann Snoopys Tanz zum Besten und wand sich heftig in der Schlinge.
    »Ich sagte, das ist nicht lustig! Hör auf!«
    Fancy hörte auf zu summen und bespritzte Kit mit Wasser aus der Flasche, was das Bild darin zerstörte. »Du wolltest ihn doch sehen.«
    » Ihn . Nicht eine von deinen kranken Fantasien.« Sie rang Fancy die Flasche aus den Händen und spritzte zurück.
    »Ich kann das nicht.« Fancy duckte sich weg und setzte sich neben ein Gestrüpp, das mit wildem Wein überwachsen war.
    Kit folgte ihr. »Du könntest, wenn du wolltest.«
    »Ich will aber nicht.«
    »Du hast es versprochen!«
    Fancy pflückte eine Weintraube und warf sie Kit hin. Kit fing sie überrascht mit dem Mund auf, dann verzog sie das Gesicht, als wäre die Traube sauer.
    »Was, wenn er vergewaltigt wird?«, fragte Fancy. »Willst du das sehen?«
    »Niemand wird im Todestrakt vergewaltigt«, sagte Kit, als wüsste sie alles darüber. »Sie sind alle voneinander isoliert und einsam. Vielleicht liegt Daddy nur rum, denkt an uns und vermisst uns ganz schrecklich. Warum stellst du dir nicht so was vor? Oder, ich weiß! Zeig uns den Tag, an dem wir mit ihm am Sabine Lake angeln waren. Das war der beste Tag überhaupt.«
    Fancy probierte eine Traube. Sie war sehr sauer. »Ich kann die Vergangenheit nicht sehen. Oder die Zukunft. Außer, ich denk mir was aus. Ich kann nur die Gegenwart sehen.«
    Kit schob Fancy zur Seite, damit sie selbst Trauben pflücken konnte. »Manchmal bist du echt zu nichts zu gebrauchen.« Sie drehte die Verschlusskappe ab, kippte die Flasche im Bach aus und füllte sie mit Trauben. »Glaubst du, Franken wird die hier mögen? Vielleicht sind sie ihm zu sauer.«
    Fancy, der Frankens Vorlieben mehr als egal waren, sagte: »Vielleicht sucht schon jemand nach ihm. Wir sollten das mit der Lobotomie bald mal machen.«
    »Wozu die Eile? Es gibt nur ihn und seine betrunkene Mutter, und die wird nicht mal merken, dass er weg ist.«
    Fancy zog ihr Strandkleid aus. Darunter trug sie einen schwarzen Badeanzug mit pinkfarbenen Teddybären. Sie runzelte die Stirn. »Woher weißt du das?«
    »Hat er mir erzählt. Sein Privatleben ist echt armselig.«
    »Du warst ohne mich im Keller?«
    Kit hielt beim Traubenpflücken inne und schien überrascht zu sein, dass Fancy aufgebracht klang. »Du machst ihn nervös.«
    »Ich? Du ritzt doch jeden Abend an ihm herum.«
    »Genau das ist es ja, Fancy Pants. Ich kenne ihn in- und auswendig. Buchstäblich. Deshalb hat er auch das Gefühl, dass er mit mir reden kann. Und ich habe ihn gestern überhaupt nicht geritzt. Ich habe beschlossen, ihn eine Weile heilen zu lassen, wie du vorgeschlagen hast, und weil ich nicht mit ihm spielen konnte, haben wir geredet. Ich hab ihm von unseren Kursen erzählt, und er findet, dass sie eine gute Idee sind.«
    »Wen interessiert’s, was er denkt?«
    »Wir haben uns nur unterhalten, Fancy«, sagte Kit ruhig, wie Madda es

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