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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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zu machen. Dann fing sie an, damit gegen den Tisch zu pochen. »Warum können nur bestimmte Leute etwas?«
    »Warum kannst du singen und Klavier spielen«, sagte Madda, »und Fancy und ich können es nicht?«
    »Weil ihr beide eben hoffnungslos unmusikalisch seid.«
    Fancy war kurz davor, sie wieder zu treten. »Wie taktvoll, Kit.«
    »Die Antwort ist genauso gut wie jede andere.« Madda strich mit ihrer Hand über Kits Wange. »Keiner weiß es, Baby.«
    Kit neigte den Kopf, um Maddas Berührung näher zu sein. »Warum erzählst du uns eigentlich immer nur langweiligen Kram über unsere Familiengeschichte? Über Sklaverei und so was. Du hast uns nie gesagt, dass Big Mama eine Hexe war!«
    »Nenn sie nicht Hexe.«
    »Aber sie war … besonders«, beharrte Kit. »Wenn unsere Familie also besonders ist, bedeutet das, dass wir einen zusätzlichen Wunsch in Cherry Glade frei haben? Irgendeinen Vorteil muss es doch haben, oder?«
    »Wir haben nur einen Wunsch frei, wie jeder andere auch, du Gierschlund. Da fällt mir ein …« Madda ging kurz aus der Küche und kam mit zwei pinkfarbenen Glasflaschen wieder. Sie waren rund und bauchig und verstöpselt wie Parfumflaschen. Madda gab sie ihren Töchtern. »Ich hatte Glück, pinkfarbene zu finden«, sagte sie. Manche Familien hatten Glücksbringer, andere hatten Glückssprüche. Und die Cordelles hatten eine Glücksfarbe.
    »Was wirst du dir wünschen, Madda?«, fragte Fancy.
    »Mehr Zeit mit euch beiden verbringen zu können«, sagte sie und setzte sich wieder auf ihren Stuhl. »Damit ich verhindern kann, dass ihr in Schwierigkeiten geratet.«
    Kit starrte sie mit großen Augen an. »Wir geraten nicht in Schwierigkeiten.«
    Madda schnaubte. »Vielleicht werdet ihr nicht erwischt.« Sie betrachtete ihre Töchter mit übertriebenem Misstrauen. »Ich wünschte, ich könnte sehen, was ihr beide so treibt, wenn ich nicht hier bin.«
    »So interessant sind wir gar nicht, Madda«, sagte Fancy in ihrem beruhigendsten Tonfall.
    »Das bezweifle ich«, sagte Madda und schien gar nicht beruhigt.
    Sehr viel später, als Madda zur Arbeit gegangen war, saßen die Schwestern auf Stühlen, die nicht zusammenpassten, an ihrem Schreibtisch vor dem mit Glyzinien überwucherten Fliegengitter. Das Tempo, in dem die Pflanzen sich in den Raum rankten, war beängstigend, besonders für Fancy, die oft damit rechnete, dass sie davon aufwachte, wie sie in ihren Mund wuchsen und sie erstickte. Der Raum war durch Sturmlampen beleuchtet, was die Schwestern bevorzugten. Elektrisches Licht war zu stechend und scheuchte die Schatten davon – die Schwestern mochten Schatten.
    »Glaubst du, jemand könnte den Alten von den Toten aufwecken?«, fragte Kit und führte eine komplizierte Wirbelnummer mit ihrem Springmesser durch, während »It’s Your Thang« auf dem Plattenspieler lief. »Nicht, dass es da noch viel aufzuwecken gäbe.«
    »Wer?« Fancy war damit beschäftigt, ihren Wunsch für Cherry aufzuschreiben, was auch Kit besser hätte tun sollen, anstatt so besessen über eine Leiche nachzudenken. »Big Mama ist schon lange tot. Und wenn wir das könnten, hätten wir es bestimmt schon gemerkt. Big Mama war zwölf, als es ihr passiert ist.«
    »Was, wenn es jemand anderem passiert ist?« Kit packte Fancys Schulter, wodurch sie eine Linie quer über ihre vormals makellose Notiz kratzte. »Irgendein Bastard, von dem wir nicht mal was wissen? Jemand, der im Wald spazieren geht und über seinen tierzerfressenen Kadaver stolpert und ihn aufweckt …«
    Fancy knüllte ihren ruinierten Zettel zusammen. »Komm mal wieder runter.«
    »Komm du mal wieder runter!« Kit ließ ihren Kopf auf den Schreibtisch fallen. »Ich weiß, was der größte Wunsch des Alten ist – junge Mädchen zu vögeln. Mich zu vögeln! Was, wenn er wiederkommt, um mich zu holen?«
    »Na ja.« Fancy schrieb ihren Zettel neu und ließ ihn in die Flasche gleiten. »Du sagst doch immer, dass du nicht als Jungfrau sterben willst.«
    »Mein Leben geht den Bach runter, und du reißt Witze?«
    »Ich reiße keine Witze. Ich stichele. Das ist sehr viel raffinierter.« Sie riss sich vom Schreibtisch und von Kits gespielter Paranoia los und ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.
    Als sie zurück auf die Schlafveranda kam und über die nassen Fußabdrücke stieg, die sie und Kit zuvor nach dem Baden hinterlassen hatten, kritzelte Kit gerade ihre eigene Notiz. »›Liebe Cherry‹«, murmelte sie beim Schreiben. »›Bitte mach, dass ich … meine

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