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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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antworteten die Schwestern wieder.
    Nachdem Madda das Tischgebet gesprochen hatte, sah sie ihre Töchter prüfend an. »Was habt ihr heute den ganzen Tag getrieben?«
    Fancy sagte: »Wir waren nur im Plattenladen und …«
    »Wir haben auf dem Heimweg eine Leiche gesehen!«
    Fancy trat Kit unter dem Tisch, aber es war zu spät. Madda schnappte nach Luft, und Fancys Portion Tomaten fiel auf den Tisch statt auf den Teller. »Eine Leiche? Was wollte sie?«
    »Sie war tot«, sagte Fancy schnell. »Ganz tot, als wir sie sahen.«
    »Ja, Madda«, sagte Kit, immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht wegen Fancys Tritt. »Tote können nicht reden.«
    »Können sie doch«, sagte Madda. »Sie können euch um etwas bitten.«
    Die Schwestern warteten auf die Pointe, aber es gab keine, und Madda sah auch nicht so aus, als würde sie scherzen.
    »Sie hat euch nicht angesprochen, oder?«
    »Angesprochen?« Kit sah so geschockt aus, als hätte Madda geflucht. »Wie meinst du das?«
    Sie grinste und sagte: »Ach, nichts.« Nur um ihre Töchter zu ärgern. »Vielleicht passiert es ja gar nicht. Mir ist es nie passiert. Big Mama ist es passiert, aber da war sie zwölf. Ihr Mädchen seit viel zu alt, um …«
    »Um was?« Atemlos beugten die Schwestern sich zu Madda vor.
    »Um mit den Toten zu reden.« Madda hielt inne, um die Reaktion ihrer Töchter abzuschätzen. Vielleicht erwartete sie, dass sie lachten oder auf andere Art darüber hinweggingen, was sie sagte. Als sie weiter still und staunend vor ihr saßen, fuhr sie fort: »Manchmal sprechen Leichen mit bestimmten Mitgliedern unserer Familie. Wie Big Mama. Big Mama wollte nie einen Friedhof betreten. Denn wenn sie auf ein Grab trat, erhob sich manchmal eine Leiche. Und sprach mit ihr.«
    Fancys Toleranzschwelle für Verrücktes, die wie bei allen Porteranern extrem hoch war, dehnte sich schmerzlich in die Stratosphäre aus. » Big Mama war eine Hexe?«
    Madda winkte ab. »Ich glaube nicht, dass das was mit Hexerei zu tun hatte. Jeder weiß, dass es so etwas wie Magie nicht gibt. Aber manchmal werden Leute mit einer Begabung geboren. So, wie wenn man mit einem umklappbaren Daumen oder einem Muttermal geboren wird. Etwas, das man entweder hat oder nicht hat. Versteht ihr, was ich meine? Es wäre schön, wenn ihr beide etwas von meiner Seite erben würdet. Ich weiß, ihr beide könnt Dinge sehen, so wie Guthrie …«
    »Das kann Fancy«, sagte Kit nüchtern. »Ich nicht.«
    Madda sah Fancy an und seufzte. »Ich wünschte mir nur, ihr beide hättet mehr von meinem Blut in mir als von eurem Daddy. Es ist schön, anders zu sein, aber er war auf zu viele falsche Arten anders.«
    »Aber warum sind wir …« Fancy zögerte. »Warum ist unsere Familie überhaupt anders?«
    »Das war schon immer so. Die Familie von eurem Daddy hat Weitsicht. Meine Leute können die Toten beruhigen – das lässt sich zurückverfolgen bis zu Cherry du Haven, und Gott weiß, wo sie es herhatte. Aber Cherrys Gabe war stark, so stark, dass sie über den Tod hinausging.«
    »Es ist eine Sache, wenn jemand wie Cherry mit Toten redet«, sagte Kit. »Aber … Big Mama?«
    Big Mama war eine strenge Frau gewesen, groß gewachsen und schnell dabei, mit einem Klaps jedes Kind zum Verstummen zu bringen, das Widerworte gab. Aber sie war auch fröhlich gewesen und voller lustiger, abgefahrener Geschichten. Sie lachte viel. Daddy hatte immer gesagt, das war, weil sie so viel trank. Jeder, der so viel trank, sollte gut drauf sein, sagte er oft. Pfirsichschnaps war Big Mamas Lieblingsgetränk. Der süßliche Geruch von dem Zeug war ihr aus allen Poren gedrungen. Sie konnte immer viele Geschichten erzählen, meist über andere Leute, aber das Aufregendste, das die Schwestern je von ihr gesehen hatten, war, wie sie einen ihrer Exmänner mit einem Besen aus dem Haus gejagt hatte. Und jetzt sollten sie glauben, dass Big Mama Leichen aufwecken konnte?
    Kit fragte: »Was haben die Leichen denn zu ihr gesagt?«
    »Sie hat erzählt …«, Madda runzelte beim Nachdenken die Stirn, »… dass sie immer so etwas sagten wie ›wirst du mich erhören‹ oder ›wirst du mir meinen Wunsch erfüllen‹, und Big Mama sagte immer Ja, und dann gab sie ihnen, was nötig war, um Frieden zu finden.«
    »Was hat eine Leiche denn nötig?«, fragte Fancy.
    »Sich zu entschuldigen, zu gestehen, jemanden anzuklagen, gehört zu werden. Und Big Mama hörte zu. Cherry auch.«
    Kit holte ihr Springmesser raus. Sie hatte zum Glück daran gedacht, es sauber

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