Blutsgeschwister
Schwestern kletterten eilig aus dem Wagen.
»Es ist ihr Blut, nicht unseres«, sagte Kit. Fancy angelte ein paar Feuchttücher aus der Tasche und wischte Fingerabdrücke vom Türgriff. »Man wird einfach annehmen, dass etwas Böses in den Truck geklettert ist und sie gefressen hat.«
»Ich finde nicht, dass ihr böse seid.«
Die Schwestern fuhren herum und sahen den dürren Jungen immer noch auf dem Behindertenparkplatz liegen. Er blutete und schwitzte in der Sonne, sein Gesicht schwoll an wie ein Ballon, noch während sie zusahen. Er versuchte vergeblich, sich aufzurichten. Es sah aus, als würde er es schon seit längerer Zeit vergeblich versuchen.
»Na toll«, sagte Fancy. »Ein Zeuge.«
»Kein Zeuge.« Kit schaltete in ihren quirligen Modus und half dem dürren Jungen auf die Füße. »Wohl eher unser bester Freund, oder? Schließlich haben wir ihm gerade das Leben gerettet.«
Er schien etwas benommen, wahrscheinlich, weil ihm mehrfach gegen den Kopf getreten worden war. »Ich hab das nicht geträumt, oder?«
»Nein.« Kit ließ ihn sich bei ihr anlehnen, während sie ihm in den Schatten bei dem Escalade half. »Dir wurde tatsächlich der Arsch versohlt, Kleiner. Du solltest doch wissen, dass man nicht allein durch die Stadt läuft. Was, wenn diese Frems eine Bande Kreischer gewesen wären?«
»Ich weiß.« Er schaute verdrießlich. »Ich wollte mich mit Freunden treffen, aber das hab ich nicht gemeint. Ihr seid mit den Frems verschwunden . Ich meine, wo sind die?«
»Irgendwo, wo sie niemandem mehr wehtun können«, sagte Kit.
»Bill?« Ein paar Leute in schwarzer Tenniskleidung sprangen über den niedrigen Zaun, der den Park von dem Parkplatz trennte. Sie hatten überall Kratzer und Blut und sahen fast so schlimm aus wie die Schwestern. Aber sie schienen sich um ihren Freund zu sorgen. »Was zum Teufel ist mit dir passiert?«
»Verschissene Frems, Mann«, sagte er und hielt sich die Rippen, als er in die gemeinschaftliche Umarmung seiner Freunde taperte.
»Besser Frems als Kreischer«, sagte ein Mädchen mit einem blauen Stirnband. »Wir wurden von einer ganzen Bande auf dem Weg hierher angegriffen.«
»Siehst du?«, sagte Kit zu Bill.
Bills Freunde betrachteten sie und Fancy und das Blut, das recht freigiebig auf ihnen verteilt war. »Haben sie euch auch erwischt?«, fragte das Mädchen mit dem Stirnband.
»Die sind eine echte Plage, findet ihr nicht?«, sagte Kit leichthin und schnappte sich ihre Schwester. »Also dann, schönen Tag noch!«
Die Schwestern überließen Bill seinen Freunden und radelten nach Hause.
»Was, wenn er seinen Freunden die Wahrheit erzählt, Kit?«
»Dass wir ’ne Bande Arschlöcher durch eine Tür geschickt haben?«
»Und blutgetränkt zurückgekommen sind.«
»Fremblut. Keiner interessiert sich für dämliche Frems, Fancy. Und die Leute, die es interessiert, wie zum Beispiel ihre Familien, werden die Wahrheit nicht glauben. Dass wir ihre Angehörigen in eine andere Welt geholt und erstochen haben.«
»Was stimmt denn nicht?«, fragte Fancy, die erstaunt über Kits Tonfall war. Kit war zuvor noch so glücklich gewesen, und nun war sie es eindeutig nicht mehr. Und der merkwürdige Blick war wieder da.
Kit seufzte. »Was an dem glücklichen Ort passiert ist … Es war nicht das, von dem ich dachte, dass es passieren würde.«
»Hattest du keinen Spaß?«
»Ja, doch, erst schon, aber dann … Ich hab mich gefühlt, als wären wir die Fiesen.«
» Wir?«
»Der Typ zum Schluss … Er hat uns angefleht, damit aufzuhören.«
Und jetzt wusste Fancy, was dieser Blick bedeutete. Es war Mitleid. Mitleid . Für Frems, die keins für den dürren Jungen im Park gehabt hatten. »Das nächste Mal benutzen wir eben einen Knebel«, sagte Fancy so unbarmherzig wie möglich, um Kit zu zeigen, wie man es machen musste.
Fancy kratzte sich in der blutverkrusteten Armbeuge. Ihr ganzer Körper juckte, und sie fühlte sich schmutzig. »Sieh mich an. Wenn dir schon jemand leidtut, dann ja wohl ich. Wie eklig bin ich?«
»Du siehst gut aus«, sagte Kit. Unbarmherzig. Immerhin lernte sie dazu.
»Wir müssen es irgendwie hinkriegen, dass es weniger Sauerei gibt. Ich meine, wie hältst du das aus?«
Kit betrachtete sie, die Augen riesig vor Überraschung. »Ich bin mir nicht sicher.«
Fancy saß zu Maddas Füßen auf der hinteren Veranda und aß Pfirsicheis. Sie starrte auf die Bilder im Budget-Travel- Magazin. Besonders ein Bild hatte es ihr angetan: eine lachende Frau, die in den
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