Blutsgeschwister
ihn noch fester an sich.
Fancy erinnerte sich daran, wie der Mortmaine sie umarmt hatte, und obwohl sie genervt war, fühlte sie sich ein wenig wehmütig. Aber sie wusste nicht, wie man Fremden half, sich sicher zu fühlen. Sie war keine Mortmaine.
Kit ließ Mason los und zog Claudias Geldbündel aus Fancys Tasche. Fancy wollte sie daran hindern, aber Kit schlug ihr auf die Hand und gab Mason das Geld. »Kauf ein paar schöne Blumen für deine Oma. Geht auf uns.«
»Danke«, sagte er.
»Also, dann mach mal«, sagte Fancy, als Mason nur schniefend herumstand. »Wir können uns nicht den ganzen Tag hier mit dir aufhalten. Claudias Wagen ist unten an der Straße geparkt.« Sie gab Mason die Schlüssel. »Wenn jemand fragt, sag, du hast dir ihr Auto geliehen, um zu deiner Oma zu fahren, und dass du sie da zum letzten Mal gesehen hast.«
»Danke«, sagte er leise – zu Kit, nicht zu ihr – und eilte dann aus dem Keller.
Nachdem Mason fort war, gingen die Schwestern zurück zum Haus, das wie eine Laterne in der Dunkelheit schien. Fancy fragte: »Glaubst du nicht, dass er es rumerzählen wird wie Bill, der Idiot?«
»Das ist egal.« Kit kickte einen Stein weg, als würde sie ihn hassen. »Solange es keine Beweise gibt, ist das alles egal.«
»Und was stimmt dann nicht?«
»Warum bedankt er sich bei mir, obwohl ich nichts getan hab? Das ganze Zeug am glücklichen Ort. Das war lustig, aber nicht …«
»Zufriedenstellend?« Fancy warf ihren Arm um Kits Schulter. »Das nächste Mal lass ich dich jemanden abstechen. Wenn du willst, bis zum Tod.«
»Okay«, sagte Kit, aber ohne ihren üblichen Enthusiasmus.
AUS FANCYS TRAUMTAGEBUCH:
Ich ging durch den Wald den Camino Real hinunter. Nach fast jedem Schritt fiel ein Licht von den Bäumen auf mich. Das Licht einer Taschenlampe. Wenn mich das Licht traf, konnte ich mich nicht bewegen, bis es wieder ausging. Ich konnte sie in den Bäumen flüstern hören. Sie flüsterten meinen Namen.
KAPITEL VIERZEHN
Am Sonntag zog Madda ein Paar ihrer guten Schuhe an: die schwarzen Lederschuhe mit den rubinroten Absätzen. Da sie die meiste Zeit in unattraktiven Arbeitsklamotten herumlief, machte sich Madda immer schön zurecht, wenn sie mal nicht arbeitsmäßig unterwegs war. »Fancy, willst du mit mir zum Fountain Square kommen?«
Fancy staubte gerade die Tigerbilder ab, die Big Mama Madda und Daddy zur Hochzeit geschenkt hatte. »Okay«, sagte sie, froh darüber, ihre Haushaltspflichten für ein paar Stunden zu unterbrechen. Sie rannte zur Tür und hielt inne. »Kit?« Ihre Schwester saß am Klavier und hämmerte darauf herum. »Komm schon.«
Fancy wartete, aber Kit wedelte nur mit den Händen. »Geht ihr mal. Ich will üben.«
Fancy ließ sich von Madda aus dem Haus und ins Auto ziehen. Sie war sich sicher, dass Kit nur einen Witz gemacht hatte. Jeden Moment würde sie rausgerannt kommen und sagen: »Haha, reingelegt!« und auf den Rücksitz springen. Aber als Madda vom Grundstück fuhr und in den Wald einbog, musste Fancy sich eingestehen, dass Kit sie im Stich gelassen hatte. Sie war noch immer wie betäubt, als Madda am Fountain Square parkte und sie durch die Geschäfte auf der Seventh Street schob.
»Okay«, sagte Madda schließlich und studierte, mit Tüten voll beladen, ihre Einkaufsliste. »Oh nein, ich habe Alufolie und Küchenpapier nicht auf die Liste gesetzt. Erinnere mich, dass ich – oh schau dir die an!«
Fancy knallte gegen Madda, die stehen geblieben war, um ein Paar schwarze Schuhe mit pinkfarbenen Schleifchen an den Zehen im Schaufenster von Ducane’s Department Store zu bewundern. »Die würden so niedlich an dir aussehen.«
»Ich mag keine Absätze.« Kit liebte Absätze. Sie liebte es, sinnlosen Mist mit Madda einzukaufen. Warum hatte sie nicht mitkommen wollen?
»Niemand mag Absätze, aber wenn du eine Frau bist, dann trägst du sie. Es ist höchste Zeit, dass du dich deinem Alter entsprechend anziehst.«
Fancy dachte daran, wie Claudia in ihren Tanzschuhen in Flammen aufgegangen war. »Nein, danke. Wenn ich anfange, Absätze zu tragen, pfeifen mir die Jungs hinterher.«
Madda fand das zum Totlachen. »Pfeifen Jungs Mädchen hinterher? Das hab ich immer nur in Filmen gesehen.«
»Ich auch. Aber ich will es trotzdem besser nicht riskieren.«
»Du würdest nicht wollen, dass man dir hinterherpfeift? Ich schon. Nur, um zu sehen, wie es ist.«
»Ich nicht.«
»Nicht mal, wenn dir Ilan hinterherpfeifen würde?«
Fancy sah sein Spiegelbild im
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