Blutskinder
Nervös befingerte King seine Lippen und zupfte an dem schütteren Bart. »Habe ich ihren Geburtstag vergessen?«
Mit einem leisen Schnauben starrte Robert ihn an, stützte sich mit beiden Händen auf die Ladentheke und beugte sich vor. »Nein, sie ist nicht krank, und sie hat auch noch nicht Geburtstag. Ich schicke ihr Blumen, weil ich Lust dazu habe. Weil ich sie liebe.«
»Da bin ich aber erleichtert.« Baxter King lächelte schwach. »Aber Sie können ihr auf keinen Fall Freesien schicken. Nein, nein, nein …« Mit breitem Grinsen kam er hinter dem Ladentisch hervor und streckte Robert seine fleischige Hand entgegen. »Ich bin übrigens Baxter King. Und Sie müssen Robert sein. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
Als King so bereitwillig zugab, Erin und sogar ihn seihst zu kennen, war Robert derart verdutzt, dass er ihm wortlos die Hand schüttelte. Bei einem Rundgang durch den Laden erklärte ihm der Blumenhändler wortreich, welche Schnittblumen Erin bevorzugte.
»Ich persönlich würde ihr ja Helikonien kaufen, am besten die Sorte Mexican Gold. In einer hohen Vase mit Glasperlen machen sie sich einfach fantastisch! Ein paar Stängel roter Ingwer ginge auch. Entsetzlich teuer, weil sie aus Puerto Rico eingeflogen werden.« King fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase. »Aber Erin ist es wert.«
»Danke, aber ich bleibe bei den Freesien«, erwiderte Robert entschlossen.
»Keine Helikonien?« Mit theatralischer Geste trat Baxter King einen Schritt zurück und zog die Augenbrauen hoch. Er spitzte verwundert die rissigen Lippen und blickte Robert aus seinen wässrigen Augen so beschwörend an, dass der beinahe versucht war, doch die Helikonien zu nehmen.
»Ich habe ihr Freesien geschenkt, als wir unsere erste Verabredung hatten.« Robert war entschlossen, in diesem Blumenwettstreit keinen Deut nachzugeben. »Wie ich Erin kenne, bin ich mir sicher, dass sie ihr gefallen werden.«
»Sie sind sich also sicher. Sehen Sie, das ist ein Problem, mit dem ich jeden Tag konfrontiert werde. Andauernd kommen Männer in meinen Laden und wollen für ihre Frauen, Freundinnen und Geliebten Chrysanthemen kaufen.« Baxter King machte eine Kunstpause und reckte in hilfloser Geste die Arme. »Chrysanthemen führe ich noch nicht einmal! Schreckliche Dinger. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Männer die Blumen kaufen, die Frauen wirklich wollen. Und das sind Exoten. Ich frage meine Kunden immer: Wenn Sie sich die Frau Ihres Lebens als Blume vorstellen, was für eine wäre sie dann? Ich bitte die Männer, etwas über sie zu erzählen – wie sie aussieht, wie sie riecht, über ihre Farben und ihre Große … Dann frage ich sie. wie die Frau im Bett ist und wie als Mutter oder …«
Nicht nur, dass King, der wie eine große Schüssel Wackelpudding aussah, dicht vor ihm stand, jetzt hatte er auch noch Roberts Hände ergriffen, hielt sie fest und redete dabei ohne Unterlass auf ihn ein. Dieser Mann ist ja wie eine Schlingpflanze!, dachte Robert. Von seinem Beruf verstand er allerdings etwas, das musste ihm der Neid lassen. Wäre Robert ein ganz normaler Kunde gewesen, hätte er sich bestimmt den puertoricanischen Ingwer aufschwatzen lassen und auf den Preis gepfiffen.
Er warf einen unbehaglichen Blick auf seine Hände, die fast aus Baxter Kings schweißfeuchten Fingern rutschten.
»Sie sehen also, meiner geliebten Erin können Sie einfach keine Freesien schenken. Für eine so außergewöhnliche Frau wie sie sind diese Blumen viel zu gewöhnlich.« Endlich ließ King Roberts Hände los und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Theke. Er wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab, während er auf Roberts Antwort wartete.
Der wusste nicht, was er sagen sollte. Gedankenverloren wanderte er noch einmal durch den kleinen Laden und tat so, als überlege er, für welche Blumen er sich nun entscheiden sollte. Ihm fiel wieder der Brief ein, den er in Erins Arbeitszimmer gefunden hatte. Es gab keinen Zweifel, dass zwischen seiner Frau und King schon seit geraumer Zeit eine ganz besondere Beziehung bestand.
»Seit wann kennen Sie meine Frau?«, fragte Robert in anklagendem Ton, die Arme vor der Brust verschränkt.
Baxter schaute nachdenklich an die Decke. »Ach, schon seit Jahren. Seit ihre Tochter drei oder vier war.« Da Baxter King den Kopf in den Nacken gelegt hatte, konnte man deutlich die narbige Haut an seinem dicken Hals erkennen. Er röchelte ein wenig beim Atmen. »Ich habe sie erwischt, als sie meine
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