Blutskizzen
klar.« Mein Gott, hat der die Ruhe weg. Er nimmt den Schlüssel, geht.
Vorm Tresen ein älteres Ehepaar, die Katze ist seit vier Tagen weg.
Klar, Sonntag.
14 Uhr 06
Eine Inge-Meysel-Kopie nimmt mongolische Soße, ein satter Strahl über das rohe Fleisch. Sie reicht den Teller über die Theke, schüttet alles auf die heiße Edelstahlfläche, wedelt mit Schieber und Messer wie Bruce Lee.
»Jedenfalls sind alle Opfer spätestens achtundvierzig Stunden, nachdem sie getötet wurden, abgelegt worden.« Oliver gabelt einen Rindfleischstreifen auf. »Er will sie also relativ schnell loswerden. Wie gesagt, ich habe mich mit dem Täter noch gar nicht richtig befasst, aber so ein paar Dinge kann man schon feststellen. Vermutlich habt ihr aber an vieles davon auch schon gedacht.«
Der Koch schaufelt alles auf einen neuen Teller, Inge Meysel bedankt sich.
»Wir haben unseren Mann erst seit vorgestern auf der Rechnung, darum wissen wir noch nicht viel von ihm, soll ich es dir trotzdem sagen, oder beeinflusst dich das zu sehr?«
»Eigentlich egal, Konni. Ich kann dir ja einfach mal erzählen, was mir so durch den Kopf geht.« Ein Stück Paprika, leicht verkohlt vom Braten. »Dass die Opfer sich ähneln, ist klar, aber eben nur auf Geschlecht und Äußerlichkeiten bezogen, bei der Lebenssituation hört es schon auf. Könnte also sein, dass der Täter-Opfer-Kontakt auf unterschiedliche Weise zustande kommt, vielleicht sucht er zufällige Gelegenheiten. Der Tatort könnte die Täterwohnung sein...«
»… in unserem Falle nicht.« Ulla, knabbert nebenbei an einem Krabbenbrot.
»Nein, das spräche nicht für euren, aber es muss ja nicht die Wohnung sein, in jedem Fall aber ein Ort, an dem er seine Ruhe hat.«
Ein Rentnerehepaar kommt, beide nehmen asiatische Soße, er noch einen Spritzer Soja hinterher.
»Was ich zum jetzigen Zeitpunkt echt schwierig finde, ist, was über das Motiv zu sagen. Natürlich sind alle ziemlich auf die gleiche Weise getötet worden, aber warum? Ihr geht von einer Raubtat aus, die Leverkusener auch. Klar, es fehlt immer alles von den Opfern, aber wie viel Geld oder Wertsachen die wirklich bei sich hatten, wissen wir nicht. Beim vorletzten Opfer, dem alten Kunz, ist es sehr vage.« Ein kleines Maiskölbchen, mittig gestochen. »Eigentlich sind solche Serien oft sexuell motiviert, aber die machen meistens mehr mit den Opfern, oft sauen die richtig rum. Bei diesen hier ist ja selbst die Kraft beim Würgen noch kontrolliert.«
»Vielleicht will er sie gar nicht erwürgen, vielleicht macht er noch was anderes. Plastiktüte über den Schädel oder so, und dann langsam beim Verrecken zusehen. Habe ich vor zig Jahren mal gehabt, war eine meiner ersten MKs. Sind schließlich alle gefesselt.«
Das Hühnerfleisch ist zart, hätte auch mongolische Soße nehmen sollen.
»Könnte schon sein, aber gegen diese machtmotivierte Geschichte spricht eigentlich das kontrollierte Vorgehen des Täters. Überhaupt hat der’ne ganz schwache Handschrift. Mit Handschrift bezeichnen wir das, was über die notwendigen Handlungen zur Begehung hinaus...«
… ich weiß, was gemeint ist.«
»Schon gut, wollte nur einmal den Meister belehren«, er lächelt gespielt frech. »Jedenfalls tut er kaum Dinge, die er nicht tun müsste, und da mach ich mir noch keinen Reim drauf. Der Täter geht unheimlich effizient vor, und das spricht nicht für eine sexuelle Motivation. Dann ist da noch diese Klebebandallergie an der zweiten Leiche, auch eigenartig. Vielleicht macht er das bei allen. Wenn es nur gegen das Schreien wäre, bräuchte er nicht die Nase abzukleben. Vielleicht verklebt er ihnen die Atemwege, sieht dabei zu, wie sie langsam sterben, und zieht daraus seine Befriedigung.«
Das Handy, Ernst.
»Kirchenberg. Was gibt’s?«
»Nur’ne kurze Meldung, damit du im Bilde bist. Der Leichenhund hat nichts gefunden. Neumann wurde also entweder sofort nach der Tat hier rausgeschleppt, oder ist eben hier nicht getötet worden. Ich halte Letzteres für wahrscheinlich, weil wir auch sonst nichts gefunden haben, was auf eine Tatbegehung hier drin hinweisen würde. Wenn er hier geblutet hätte, auch nur einige Tropfen, wäre der Hund draufgestoßen.«
»Wir besprechen das heute Abend, Ernst, danke für die Info.«
Inge Meysel kommt schon wieder. Jetzt Ingwersoße.
»Das war Ernst. Der Leichenhund hat in der Wohnung nichts gefunden. Passt ganz gut zu den anderen.«
Ulla nickt knapp.
»Jedenfalls ist die verklebte Nase neben den
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