Blutspiele
mal Kaffee auf, während ich mir etwas überziehe.«
»Um diese Zeit? Wer denn?«
»Joe Quinn.«
Er runzelte die Stirn. »Ausgerechnet der? Nach den sarkastischen Bemerkungen, die er dir im Sumpf an den Kopf geworfen hat? Ich hätte ihm am liebsten einen Kinnhaken verpasst.«
»Ich auch. Aber du kannst ihm keine Vorwürfe machen, dass er mir gegenüber so zynisch war. Manchmal glaube ich diesen übersinnlichen Quatsch ja selber nicht.« Sie schnitt eine Grimasse. »Oder ich wünsche mir, ich würde nicht daran glauben. Dann wäre das Leben viel einfacher.« Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. »Und ich habe keinerlei Recht, ihm jetzt Vorwürfe zu machen.« Sie flüsterte: »Vielleicht habe ich ihm geschadet, Carey.«
»Die Sache mit der Übertragung?«
»Eve findet, er benimmt sich nicht normal. Und das zuzugeben fällt ihr bestimmt nicht leicht. Sie beschützt ihn sehr.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass er Schutz brauchte. Du warst doch diejenige, die angegriffen wurde.«
»Und sein Zynismus macht es für ihn noch schwerer … falls überhaupt etwas passiert ist.« Megan drehte sich um und ging auf das Schlafzimmer zu. »Vielleicht irrt Eve sich ja. Sie war sich nicht sicher. Vielleicht ist es etwas anderes.«
Vierzig Minuten später klingelte Joe Quinn an ihrer Tür.
Als sie öffnete, sah er sie von oben bis unten an, von ihren dunklen Haaren bis hinunter zu den Füßen. »Sie sind angezogen. Haben Sie mich erwartet?« Er grinste leicht. »Vielleicht eine übersinnliche Vorahnung?«
»Ich habe keine Vorahnungen. Soweit ich weiß, habe ich nur zwei übersinnliche Fähigkeiten. Das ist schon mehr, als mir lieb ist. Kommen Sie herein, Joe.« Sie trat beiseite. »Wir könnten in die Küche gehen und einen Kaffee trinken.«
»Ich habe nicht vor, mich gemütlich mit Ihnen zu unterhalten. Darum bin ich nicht hier.«
»Nein, gemütlich wirken Sie im Moment auch nicht.« Sie bezweifelte, dass diese Bezeichnung jemals auf ihn passte. Was man spürte, war eine harte, sehnige Kraft und eine scharfe Intelligenz. »Sie sind wütend und würden gern auf jemanden einschlagen. Nur zu. Ich habe es möglicherweise verdient.« Sie ging zur Küche. »Aber wir sollten wenigstens so tun, als ob wir uns verstehen. Mein Onkel beschützt mich sehr, und Sie stehen nicht auf der Liste der Leute, die er mag.«
»Das stört mich nicht.« Er folgte ihr. »Mit ihm kann ich umgehen.«
»Dann müssen Sie auch mit mir umgehen. Er ist alles, was ich noch an Familie habe, und ich beschütze ihn auch.« Sie setzte sich an den Tisch und bedeutete ihm, sich ihr gegenüber niederzulassen. »Ich habe ihm erklärt, dass Sie das Recht haben, sauer zu sein, aber das glaubt er mir nicht.«
Er setzte sich, aber seine Körperhaltung war so starr wie sein Gesichtsausdruck. »Und warum sollte ich auf Sie sauer sein?«
»Weil ich Ihnen möglicherweise geschadet habe.« Sie schenkte aus der Kanne, die auf dem Tisch stand, Kaffee in die Tassen. »Stimmt das?«
Seine Lippen verzogen sich zu einem bösen Lächeln. »Lesen Sie meine Gedanken?«
»Nein, Ihre Körpersprache.« Sie hob die Tasse an die Lippen. »Sagen Sie, können Sie jetzt Gedanken lesen? Habe ich Ihnen das angetan?«
»Nein, verdammt noch mal.«
»Gut. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Alptraum wäre.«
»Wissen Sie das nicht?«
»Ich bin Amateurin. Das ist alles ganz neu für mich. Ich weiß, dass ich das bei einem Mann ausgelöst habe. Er ist verrückt geworden.«
»Ich bin nicht verrückt.« Sein Mund war angespannt, seine Augen glitzerten.
»Aber Sie haben sich das gefragt.«
Einen Augenblick schwieg er. »Ich hatte Zweifel. Doch ich bin zu dem Schluss gekommen, entweder ich akzeptiere, dass Sie nicht die Scharlatanin sind, für die ich Sie gehalten habe, oder ich bin auf dem Weg in die Klapsmühle. Ersteres finde ich wesentlich erträglicher. Daher bin ich gekommen, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen. Bisher beruhigen Sie mich nicht sonderlich.«
»Schlimm. Aber ich glaube nicht, dass Sie beruhigt werden wollen. Sie wollen Antworten. Die kann ich Ihnen vielleicht nicht geben, aber ich werde versuchen, Ihnen dabei zu helfen, sie zu finden. Fragen Sie.«
»Geister. Sie hören die Toten. Sehen Sie sie auch?«
Ihre Tasse hielt auf dem Weg zu ihrem Mund inne. »Nein, und ich habe sie nie als Geister betrachtet. Eher als Echos dessen, was an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit geschehen ist.« Sie sah ihn einen Augenblick lang an, ehe sie ihre
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