Blutspiele
Frage stellte: »Haben Sie sie gesehen?«
Er antwortete erst nach einer Weile. »Vielleicht.« Ein finsterer Blick. »Verdammt, es ist mir ganz schön schwergefallen, das zu sagen.«
»Wissen Sie, wer es ist?«
»Bonnie. Ich dachte erst, es wäre eine Halluzination, ausgelöst durch den Stress während der vielen Jahre der Suche nach ihr.«
»Wie oft haben Sie sie gesehen?«
»Einmal.«
»Dann könnten Sie recht haben.«
»Aber ich habe nicht versucht, Nancy Jo Norris zu finden, und ich habe sie ebenfalls gesehen.«
»Das ermordete Mädchen? Davon habe ich in den Abendnachrichten gehört.« Sie sah ihn nachdenklich an. »Wie sehen sie aus? Sind es nur flüchtige Erscheinungen?«
»Nein, sie reden mit mir. Wie Sie, wie sonst irgendjemand.« Er stand auf. »Mir reicht’s. Ich verschwinde wieder. Ich höre mich wirklich wie ein Irrer an. Vielleicht bin ich es ja.«
»Warten Sie. Warum sind Sie gekommen? Was hat Sie Ihre Meinung ändern lassen, dass Sie nun glauben, ich könnte Ihnen helfen?«
»Nancy Jo hat mir erzählt, dass der Mann, der sie ermordet hat, sie von hinten gepackt und ihr ein Taschentuch auf die Nase gedrückt habe. Dann sei sie bewusstlos geworden. Die Autopsie hat gezeigt, dass sie mit Äther betäubt wurde. Es war ein winziger Beweis, aber ich habe danach gegriffen.«
»Das hätte ich auch getan«, sagte Megan. »Und so winzig ist er gar nicht.«
»Doch, ist er schon. Eigentlich würde ich sagen, es handelt sich um reines Wunschdenken, aber im Grunde gefällt mir keine der beiden Alternativen.«
»Aber eine davon haben Sie bereits akzeptiert, sonst wären Sie nicht hier.«
»Ein Hafen im Sturm. Wenn Sie mir das angetan haben, können Sie es auch wieder rückgängig machen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das bleibt Ihnen. Aber ich werde mich kundig machen.«
»Verflucht, wissen Sie das denn nicht?«
»Meine Güte, ich habe Ihnen doch gesagt, dass das alles noch ganz neu für mich ist. Vor ein paar Monaten wusste ich noch nicht einmal, dass ich sogenannte übersinnliche Fähigkeiten habe. Ich bin bestimmt keine Autorität auf dem Gebiet. Aber ich werde meine Freundin Renata Wilger in München anrufen, ob sie jemanden weiß, der Ihnen helfen kann.«
»Noch eine Voodoo-Priesterin mit übernatürlichen Kräften?«
»Nein, das nicht. Renata ist eine entfernte Cousine, und sie arbeitet als eine Art Repräsentantin für einen Familienbetrieb. Aber sie hat Kontakte.«
»Was für eine Familie? Das hört sich an wie die Mafia.«
»Nein. Es handelt sich um die Familie Devanez.« Sie zögerte. Aber sie musste es ihm sagen. Sie war ihm die ganze Wahrheit schuldig. »Es ist eine sehr alte Familie, und einige ihrer Mitglieder haben bestimmte … Fähigkeiten.«
»Eine ganze Familie von Freaks? Wo zum Teufel bin ich da hineingeraten?«
»Hören Sie, ich weiß, dass es schwierig ist für Sie. Aber für mich ist es auch nicht einfach.« Sie tadelte ihn nicht für seine Ungeduld. Ihre Erklärung würde es für ihn vermutlich nicht leichter machen. »Zur selben Zeit, als ich entdeckte, dass ich einer dieser ›Freaks‹ bin, wie Sie das nennen, habe ich festgestellt, dass ich zur Familie Devanez gehöre. Die Devanez’ waren ursprünglich Landbesitzer im südlichen Spanien. Von dort flohen sie 1485, um der Inquisition zu entkommen. Die örtlichen Bauern waren zu ihren Priestern gegangen und hatten die Familie jeder nur denkbaren Hexerei bezichtigt, vom Vorhersagen der Zukunft bis zum Gestaltwandeln. Manches davon war purer Aberglaube, doch es gibt keinen Zweifel daran, dass die Familie über gewisse Talente verfügt. Ihre Mitglieder zerstreuten sich praktisch über die gesamte zivilisierte Welt und tauchten unter. Aber José, das Familienoberhaupt, war von der Kraft der Einheit überzeugt und wollte nicht, dass die Familienmitglieder den Kontakt untereinander verloren. Er führte ein Stammbuch ein, in dem die Namen, Adressen und sogar die jeweiligen Fähigkeiten der Familienmitglieder verzeichnet waren, und schickte seinen Bruder Miguel damit außer Landes. Seit dieser Zeit gab es immer einen Bewahrer des Stammbuchs, der durch die Welt reist und den Überblick über die Familie behält.« Sie holte Luft. »Und über die Schwierigkeiten, in die wir wegen unseren Fähigkeiten geraten.«
»Und Renata Wilger kann sich mit diesem verdammten Bewahrer des Stammbuchs in Verbindung setzen, damit mir geholfen wird?«
»Renata ist die Bewahrerin des Stammbuchs.« Leise fügte sie hinzu: »Und
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