Blutspiele
über Stress im Job erzählen lassen und dass er mal Urlaub machen sollte.
Er konnte nicht freinehmen. Nur seine Arbeit gab ihm sein inneres Gleichgewicht.
Zumindest irgendwie.
Wenigstens hielt sie ihn beschäftigt und gab seinem Leben einen Zweck. Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer der Gerichtsmedizin.
»Tim Brooks.«
Einer der Assistenten. Joe hatte schon einmal mit ihm gesprochen. »Quinn. Ist die Autopsie schon erledigt?«
»Du lieber Himmel, nein«, antwortete Brooks säuerlich. »Die wird diesmal Tage dauern. Jeder auch nur mögliche Test muss durchgeführt werden.«
»Und was gibt es bis jetzt?«
»Verblutet wegen Durchtrennung der Halsvene.«
»Sonst noch was?«
»Ätherreste und Fasern in den Nasenlöchern. Er hat sie offenbar betäubt, ehe er sie umgebracht hat.«
Joe erstarrte. »Äther?«
»Sie haben richtig gehört. Ich muss wieder zurück. Sie wissen ja, dass wir nicht mit Ihnen sprechen sollen, ehe wir den Abschlussbericht haben.«
»Danke, Brooks.« Er legte langsam auf.
Er hat mich angegriffen und mir ein Taschentuch aufs Gesicht gedrückt. Es hat süßlich gerochen. Dann hat er mich hergebracht und mir die Kehle durchgeschnitten.
Nancy Jos Worte während seiner Halluzination heute.
Aber wie hätte er dieses eigenartige Detail halluzinieren können?
Spekulation aufgrund von Hunderten ähnlicher Fälle?
Aber es gab keinen Fall, der diesem hier glich. Um Gottes willen. Er war zunehmend davon überzeugt, dass das alles Wirklichkeit war. Und wenn es nicht geraten war, dann blieb ihm nur eine Wahl.
Zum Polizeipsychiater gehen oder kopfüber in den Fluss ohne Wiederkehr springen.
Er drehte sich auf dem Absatz um und ging langsam zurück ins Schlafzimmer.
Eve sah Joe nach, als er davonfuhr. Erst dann griff sie zu ihrem Handy und wählte Megans Nummer. Nach dreimaligem Klingeln ging Megan an den Apparat. »Tut mir leid, dass ich so spät noch anrufe. Habe ich Sie aufgeweckt?«
»Das macht nichts. Ich hatte Sie ja gebeten, mich anzurufen, wenn Sie mich brauchen.« Sie machte eine Pause. »Und, brauchen Sie mich?«
»Das könnte sein. Vielleicht ist Joe auf dem Weg zu Ihnen. Ich dachte, ich warne Sie vor.«
»Vielleicht? Sie wissen es nicht?«
»Er hat gesagt, dass er von den Gerichtsmedizinern etwas erfahren hat, was er überprüfen muss. Das könnte wahr sein oder zumindest ein Teil der Wahrheit. Es ist ein schlimmer Fall, und es ist möglich, dass wir persönlich darin verwickelt sind. Aber ich habe so eine Ahnung, dass, was auch immer er überprüfen muss, er es zusammen mit Ihnen tun möchte.«
Stille. »Sie wollen mir sagen, dass sich Joe Quinn … irrational verhält?«
»Ich sage Ihnen, dass Joe zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, zweifelt an seiner …« Sie holte tief Luft. »Es gibt niemanden, der zuverlässiger und souveräner ist als Joe. Aber zurzeit ist er alles andere als das. Ich weiß nicht, ob das etwas mit Ihnen zu tun hat oder nicht, aber ich habe mich bemüht, ihn in Ihre Richtung zu schieben. Mehr konnte ich nicht machen.«
»Sie haben nicht mit ihm gesprochen?«
»Verdammt, er wäre mir nur ausgewichen. Sollte bei ihm irgendetwas Seltsames vorgehen, dann würde er das nie zugeben und schon gar nicht darüber reden. Er nennt das alles Blödsinn. Ich habe mein Bestes getan. Es muss von ihm selbst ausgehen.« Sie schwieg einen Augenblick. »Ich mache mir Sorgen, weil ich ihm nicht helfen kann. Wenn er zu Ihnen kommt, dann helfen Sie ihm, Megan. Bitte.«
»Darum müssen Sie mich doch nicht bitten«, sagte Megan. »Ich tue, was ich kann, auch wenn ich nicht weiß, was das sein könnte. Aber ich sage Ihnen, es ist nicht immer schlimm.«
»Sie haben Irrsinn und Tod erwähnt. Ich würde sagen, das ist schon ganz schön schlimm.«
»Aber das hängt vielleicht davon ab, wie stark die einzelne Persönlichkeit ist.«
»Na ja, Joe ist stark genug. Und vielleicht hat es ja gar nichts mit Ihnen zu tun. Ich wollte nur auf Nummer sicher gehen.«
»Ich sage Ihnen dann Bescheid.« Megan legte auf.
Eve blickte hinaus auf den See. Hatte sie das Richtige getan? Sie hatte Joe auf Megan hingewiesen, obwohl sie gar nicht sicher war, dass Megans Fähigkeiten der Grund für Joes Problem waren. Sie hatte Angst gehabt, etwas anderes zu unternehmen.
Sie konnte nur hoffen, dass es eine Lösung gab und dass Megan sie fand.
Megan wandte sich an ihren Onkel, nachdem sie das Gespräch beendet hatte. »Carey, vielleicht bekommen wir einen Besucher. Setz doch bitte
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