Blutspiele
Blut. Mehr Macht.
Er erreichte die Straße, die nach Norden zur Autobahn führte.
Wie hatte er ihn entdeckt? Das Dorf Fiero lag auf der anderen Seite der Welt, und er war all die Jahre lang vorsichtig gewesen, damit er ihn nicht auf seine Spur brachte. Der Kelch? Das war möglich. Davor hatte er die Kelche nur selten benutzt, so dass niemand einen Zusammenhang erkennen konnte.
Vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Damals, vor so vielen Jahren, hatte er die gleiche Angst verspürt. Und damals war er davongelaufen, genau wie jetzt.
Aber inzwischen hatte er an Kraft gewonnen, und nach dem nächsten Geschenk würde er noch stärker sein. Er konnte mutig zuschlagen und sich als Meister im Spiel beweisen.
Es war an der Zeit, nicht mehr davonzulaufen.
Schleuderspuren im Schlamm.
Seth Calebs Gesicht wurde finster, er kniete sich hin und überprüfte die Reifenspuren. Sie waren tief, die Reifen hatten durchgedreht, waren hin und her gerutscht. Jelak war in Panik davongerast. Seth hatte gehofft, ihn zu erwischen, ehe er etwas von der Jagd mitbekam. Aber es war deutlich zu erkennen, dass der Mistkerl von der Bedrohung gewusst hatte.
Caleb murmelte einen Fluch und stand auf.
Na gut, heute Nacht hatte er ihn verloren, aber Jelak würde Eve Duncan nicht aufgeben. Weil sie Kistle getötet hatte, war sie in Jelaks Spiel zum wichtigsten und zentralen Zielobjekt geworden.
Caleb musste in das Spiel einsteigen und die Regeln ändern.
1:35 Uhr
Die Frau saß in einem Sessel im Wohnzimmer und telefonierte. Sie lachte, und ihre Wangen röteten sich.
Jelak trat näher ans Fenster. Gut. Es war immer besser, sie sich zu holen, wenn sie gerade starke Gefühle empfanden. Ob Freude oder Schrecken, das war eigentlich egal.
Jetzt musste er lediglich ins Haus kommen oder sie nach draußen locken. Bei diesem Wetter war es bestimmt nicht leicht, sie nach draußen zu bekommen. Möglicherweise musste er hineingehen.
Aber sie stand auf und verschwand in einem anderen Zimmer.
Es war an der Zeit.
Du kannst jetzt nicht ins Bett gehen. Ich brauche dein Geschenk. Er kommt immer näher, und ich benötige deine Kraft, um gegen ihn zu kämpfen.
Er bewegte sich leise vom Fenster weg und schlich die Treppe hinunter, wobei er den Blumenampeln auswich, die die Veranda schmückten.
Der Regen hatte nicht nachgelassen, und er konnte fernen Donner hören, als er vorsichtig das Gartentor öffnete. Aus den Fenstern des Hauses fiel trauter Lampenschein.
Licht war immer der Feind.
Erst kam die Dunkelheit, dann kam die Furcht.
7
H ören Sie, ich weiß, es ist ziemlich früh, aber ich bin jetzt nur die Botin. Er will Sie sofort sehen«, sagte Megan, als Eve ans Telefon ging.
»Wer will mich sehen?« Eve erhöhte die Lautstärke an ihrem Apparat, setzte sich im Bett auf und schaute auf die Uhr: 5:40 morgens. »Und warum braucht er eine Botin?«
»Seth Caleb. Renata sagt, er ist ein entfernter Verwandter und er weiß etwas über die Kelche. Er hat das Fax mit der Zeichnung gesehen und ist sofort in Edinburgh ins Flugzeug gestiegen. Gestern Nacht um elf hat er mich angerufen und mich gebeten, nein, mir befohlen, Sie anzurufen und Ihnen zu sagen, dass er Sie morgen besuchen wird. Er wollte nur sicherstellen, dass Sie ihn nicht für einen Journalisten halten, sondern wissen, dass er kommt, um zu helfen.«
»Wir sprechen gern mit jedem, der uns etwas über Jelak erzählen kann.«
»Das dachte ich mir. Aber Caleb hat mich beeindruckt, denn er ist ein bisschen … Ich dachte nur, ich sollte Sie vorwarnen. Renata meint, er lässt sich nichts vorschreiben und würde kommen, ob wir ihn haben wollten oder nicht.«
»Nun haben Sie mich gewarnt.« Sie warf einen Blick auf Joe, der sich ebenfalls aufgesetzt hatte und zuhörte. »Und wann sollen wir mit ihm rechnen?«
»Um sieben.« Sie zögerte einen Moment. »Und er hat gesagt, Joe Quinn sollte die Westseite des Sees überprüfen, ungefähr zwei Meilen vom Haus entfernt.«
Eve erstarrte. »Was?«
»Er meinte, der Regen habe vermutlich den größten Teil von Jelaks Reifenabdrücken aufgeweicht, aber vielleicht wären noch einige davon brauchbar.«
»Sie wollen sagen, Jelak saß gestern Nacht direkt vor unserem Haus in einem Auto? Nach dem Fund des Kelchs haben wir die gesamte Gegend von der Polizei absuchen lassen.«
»Caleb meint, der Wagen stand nicht direkt am See und war gut verborgen.«
»Wenn Caleb das weiß, dann muss er gestern Nacht ebenfalls draußen am See gewesen sein.«
»Vermutlich.
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