Blutspuk in Venedig
sein Gesicht nicht genau erkennen konnten. Das Tischlicht, in Form einer übergroßen Glühlampe, gab nur wenig Helligkeit ab.
»Hören Sie, Paretti, Sie können wählen. Entweder schicken Sie die beiden Süßen weg und unterhalten sich mit uns, oder wir verschwinden, und die Sache ist erledigt.«
Paretti nickte. »Ihr seid die beiden Bullen, wie?«
»Nein, Polizisten«, sagte Suko.
»Okay, schon gut, keine Feindschaft.« Er knuffte beide Girls in die Seiten. »Los, verdrückt euch!«
Sie gehorchten, verschwanden, und ich zog die schwarze Gardine wieder zu.
Suko wollte wissen, ob das Licht höher gedreht werden konnte. Ihm war es zu schattig.
»Ja, da gibt es einen Dimmer.« Paretti fummelte unter dem Tisch herum, und die Lampe gab mehr Licht ab. Die Musik störte uns nicht. Sie war leise genug, um eine Unterhaltung zuzulassen. Es war nicht nur eine halbrunde gepolsterte Bank vorhanden, sondern auch zwei Stühle, die wir heranzogen. Wir setzten uns so hin, daß sich Rock Paretti in der Mitte befand. Er wußte nicht, wen er zuerst anschauen sollte, deshalb bewegte er den Kopf hin und her.
Wir betrachteten ihn genauer. Er trug eine enge rote Hose aus Leder.
Dazu ein weißes Hemd, das er weit aufgeknöpft hatte. Um seinen Hals hingen einige Ketten, die Gelenke waren von Armbändern umwickelt, und am rechten Ohr funkelte ein mit kleinen Diamanten besetzter Ring.
Ich kannte Parettis Bild aus den Zeitungen. Auch jetzt sah er nicht anders aus. Die wilde dunkle Mähne hatte er durch den Pferdeschwanz gebändigt. Seine Augen waren schmal. Schmal war auch die Nase, aber lang und etwas gebogen. Eine hohe Stirn, ein eckiger Mund, ein breiter Mund und die dunklen Bartschatten auf den Wangen. Er konnte den italienischen Einfluß seines Vaters nicht verleugnen. Ich schätzte ihn auf ungefähr dreißig Jahre oder knapp darüber.
»Ihr seid ja pünktlich«, sagte er und deutete auf eine Champagnerflasche, die im Eiskübel stand. »Einen Schluck?«
»Nein.«
»Im Dienst, wie?«
»So ähnlich.«
»Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Wir nannten unsere Namen, wobei auf seinem Gesicht ein Grinsen erschien. »Ja, von euch habe ich schon mal gehört.«
»Wie schön.«
»Und um was geht es?« fragte Suko. Er kam schnell zum Thema.
Sicherlich fühlte er sich ebensowenig wohl wie ich. Es war nicht unsere Welt, mochte sie auch noch so in oder gestylt sein.
Paretti fing an zu sprechen. »Wenn du den Palazzo beziehst, wirst du ein Opfer des Blutspuks werden. Jeder Fremde wird ihm nicht entkommen können, also hüte dich…« Seine Stimme verklang.
»Was soll das?« fragte Suko.
»So lautete die Drohung, die man mir geschickt hat. Ich habe den Text auswendig gelernt. Er ist mit Blut auf ein Blatt Papier geschrieben worden.«
»Mit Blut?« fragte ich.
»Ja.«
»Das wissen Sie genau?« Er nickte.
»Haben Sie es untersuchen lassen?«
»Nein, aber ich weiß es.« Er griff in die Brusttasche außen an seinem Hemd. »Und ich nehme auch an, daß man die Worte mit dem Blut eines Menschen schrieb.« Er holte aus der Tasche einen Zettel hervor, faltete ihn auseinander und legte ihn so auf den runden Tisch zwischen uns, daß wir den Text lesen konnten.
Es entstand eine Schweigepause. Suko und ich überlegten jeder für sich, was es mit dieser Drohung auf sich hatte. Der Rockstar war nicht erwischt worden, dafür hatte man seinen Mitarbeiter ohne Gesicht tot aus dem Canale Grande gefischt. Paretti trommelte mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte, was mich wiederum nervös machte.
»Es ist ernst«, sagte er.
»Das glaube ich auch«, murmelte Suko.
»Einen Toten hat es gegeben. Ich wußte nicht, daß es Sid Arnos erwischen würde, aber ich bekam einen Anruf von der venezianischen Polizei, und da wußte ich, daß dieser Schrieb keine leere Drohung gewesen war, mit der man mir Angst machen wollte.«
»Stimmt«, gab ich zu.
Dann sprach Suko. »Welches Motiv kommt für die Tat in Frage, Mr. Paretti? Können Sie sich eins vorstellen? Gibt es jemand, der Sie so sehr haßt, daß er Sie umbringen will?«
Paretti lachte, und es klang wenig echt. »Feinde hat man immer, besonders unter den ach so netten Kollegen, die dich umarmen und dir trotzdem die Pest an den Hals wünschen. Das ist bekannt in der Branche, das ist auch akzeptiert, aber bis zum Mord?« Er schüttelte den Kopf »So weit geht es nun doch nicht. Außerdem habe ich nicht das Gefühl, daß diese abscheuliche Tat mit Neid oder Mißgunst eines Kollegen zusammenhängt.
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