Blutspuk in Venedig
Das hat andere, tiefere Gründe.«
»Und welche, Ihrer Meinung nach?« wollte ich wissen.
Paretti lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Das ist schwer zu sagen. Ich gehe mal davon aus, daß sie nicht hier in London liegen, sondern in Venedig.«
»Wo da genau?«
Er puhlte in seinem Ohr. »Wenn ich das wüßte…«
»Doch, Sie wissen es.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Reden Sie!«
»Ich habe da einen alten Palazzo gekauft. Stand ja auch in dem Text. Damit muß die Tat zusammenhängen.«
Ich war skeptisch. »Nur weil Sie diesen Palazzo gekauft haben? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
Er regte sich auf. »Verdammt noch mal, lesen Sie den Text! Der Palazzo und der Blutspuk. Okay, es hat Sid Arnos erwischt. Es steht nicht fest oder ist nicht bewiesen worden, aber meiner Meinung nach muß er den Palazzo betreten haben. Danach hat man ihn umgebracht und in den Kanal geworfen. Das ist es, was ich Ihnen sagen will.«
»Und Sie wissen auch nicht, ob die italienischen Kollegen von uns Ihren Palazzo durchsucht haben?«
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Wir werden sie fragen.« Er staunte zuerst mich, dann Suko an.
Schließlich zog er den Mund in die Breite. Dabei streckte er uns den Arm entgegen, und seine Goldbänder klingelten. »Das heißt also, Sie haben angebissen und werden nach Venedig fliegen.«
»So ist es.«
Sein Whisky-Champagner-Atem wehte uns entgegen. »Das ist wirklich besser, als ich es erwarten konnte. Wenn Sie so leicht einschlagen, werden Sie auch daran glauben, daß es einen Blutspuk gibt.«
»In der Tat.«
»Wunderbar. Und was jetzt?«
»Werden wir uns noch über einige Einzelheiten unterhalten müssen«, sagte Suko.
»Bitte.« Er schlürfte sein halb mit Champagner gefülltes Glas leer. »Das tue ich sogar gern…«
***
Viel hatten wir von dem Rockstar nicht erfahren. Wir wußten nur, daß dieser Palazzo früher einmal einer Familie Ferrini gehört hatte, die sehr reich gewesen war. Und diese Familie hatte sich nicht eben wohlfeil verhalten, das hatten wir auch herausgehört. Mehr nicht. Alles Weitere wollten wir in Venedig am Ort des Verbrechens erfahren.
Der Flug verlief ohne Zwischenfälle. Wir hatten zudem das Glück gehabt, in der ersten Klasse sitzen zu dürfen, denn alle anderen Plätze waren ausgebucht gewesen.
Natürlich waren wir noch über Sir James den offiziellen Weg gegangen und hatten die italienischen Kollegen von unserem Kommen informiert, aber diejenigen Personen, die wir von früheren Einsätzen her kannten, saßen nicht mehr in den entsprechenden Positionen. Einige waren befördert worden, andere sicherlich in Pension gegangen, und es gab auch welche, die versetzt worden waren. Italien war eben ein etwas unruhiges Land, da macht auch die Verwaltung keine Ausnahme.
Jedenfalls waren wir so verblieben, daß wir uns melden würden. Zudem würden wir auch nicht wegen unserer Waffen am Zoll aufgehalten werden. Die Kommunikation innerhalb der EU klappte inzwischen wesentlich besser als früher.
Ich zumindest hätte noch länger fliegen können. Wann flog jemand wie ich schon in der ersten Klasse, wo er wirklich erstklassig bedient wurde?
Leider mußte ich den angebotenen alkoholischen Köstlichkeiten entsagen, denn Champagner am Morgen brachte die Mattheit am Nachmittag, und die konnte keiner von uns gebrauchen.
Auch nach der Landung in Mestre, wo Venedigs Flughafen hegt, hatte alles geklappt. Mit dem Zug waren wir über den Damm in die Stadt hineingefahren, und beide dachten wir daran, daß es nicht unbedingt nötig war, schon jetzt die Kollegen zu besuchen und uns dort vorzustellen. Das hatte Zeit.
»Wichtiger ist wohl der Palazzo«, meinte Suko. »Richtig.«
Er lächelte, ich grinste ebenfalls, also waren wir uns wieder einig. Der Zug war nicht gut besetzt. Suko und ich saßen uns schräg gegenüber.
Jeder konnte die Beine ausstrecken, was ich auch tat. Ich wollte mich noch etwas entspannen. Mein Blick glitt durch den Wagen, und ich sah mir gegenüber eine Frau sitzen, deren schwarze Haarmähne mir sofort auffiel. Sie umgab als lockige Pracht ihren Kopf und ließ das Gesicht bleich aussehen, obwohl es ein sanftes Makeup zeigte. Die Frau schaute aus dem Fenster. Sie mußte mich allerdings trotzdem sehen, da sich das Innere des Wagens auch in der Scheibe abzeichnete. Die Person war elegant gekleidet. Sie trug eine feine grüne Lederjacke, dazu eine moderne rehbraune Cordhose, geschnürte Schuhe und einen weichen, beigefarbenen Pullover unter
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