Blutspur des Todes
Fleisch, frisch aus der Kühltasche.«
»Ich hatte dir doch gesagt, dass wir den Fisch nicht essen. Hier darf man nur angeln, wenn man die Fische wieder ins Wasser setzt.«
»Na also.« Tommy stellte die Kühltasche auf das Dach des Explorer, wischte den Schweiß von seiner Stirn und fuhr sich mit der Hand weiter über den Kopf. Eine seltsame Angewohnheit, seit er angefangen hatte, sich den Schädel zu rasieren. Andrew hatte die neue Marotte sofort bemerkt und fragte sich, ob Tommy sich vergewissen wolle, dass er tatsächlich keine Haare mehr hatte, oder ob es ihm einfach nur gefiel, sich über den kahlen Schädel zu streichen. »Ich wusste gar nicht, dass du so etwas wie der Zen-Meister des Angelns bist.«
»Wenn du dich mal wirklich ernsthaft darauf einlassen würdest, könntest du mich verstehen.«
»Ja, klar.«
Tommy nahm die Kühltasche und folgte Andrew zur Hütte.
»Also, was hat der Arzt gesagt? Wie lange musst du das verdammte Ding noch tragen?« wollte Tommy wissen.
»Noch drei Wochen, mindestens«, erwiderte Andrew und fühlte, wie ihn diese Vorstellung entmutigte.
»Heilige Scheiße, das ist hart. Wie kannst du überhaupt schreiben?«
»Nur mit der linken Hand und nur sehr langsam.« Er stellte seine Last vor der Hütte ab, um Tommy die Fliegendrahttür zu öffnen. Der gestattete ihm die höfliche Geste und schob sich an ihm vorbei ins Haus.
»Ich hinke meinem Abgabetermin schon ganz schön hinterher«, sagte Andrew. Dabei wusste er selbst, dass seine Verletzung in Wahrheit nur eine vorgeschobene Entschuldigung dafür war, dass er mit seinem Manuskript nicht vorankam. Aber über den wahren Grund mochte er nicht reden, als würde das Eingeständnis sein Schicksal besiegeln.
Jedenfalls spürte er fast so etwas wie Erleichterung, als er feststellte, dass Tommy seine fadenscheinige Rechtfertigung gar nicht registriert zu haben schien und bereits die Zimmer inspizierte.
»Die Hütte ist echt Klasse«, bemerkte er anerkennend, neigte den Kopf und betrat eins der beiden Schlafzimmer.
»Richtig toll hier.«
Tatsächlich war die Hütte weit komfortabler, als man von außen hätte vermuten können. Zwar waren die Wände aus knorrigem Pinienholz und die Decke aus rustikalen Balken, aber nachträglich eingesetzte kleine Holzfenster im Dach sorgten für viel Licht, es gab ein modernes Bad, eine Dusche sowie Heizung und Klimaanlage. Die Kochnische war mit Kühlschrank und Elektroherd ausgestattet sowie einer Mikrowelle, die die Besitzer, wie Andrew bemerkte, seit seinem letzten Besuch neu angeschafft hatten.
Die meiste Zeit wollte er ohnehin auf der Veranda vor dem Haus verbringen, auf den See und den Wald schauen und hoffentlich wieder wie früher bis spät in die Nacht beim Schein einer Laterne schreiben.
Das hier war seine Klausur, seine Zuflucht, hier hatte er sein erstes Buch geschrieben. Und bisher hatte es ihm immer geholfen, sich hierher zurückzuziehen. Leider war er in den letzten Jahren zu beschäftigt gewesen, um sich den Luxus dieser Einsamkeit zu gönnen. Heute schrieb er meist, während er auf Flughäfen wartete oder in Hotelzimmern bei kaltem, mittelmäßigem Essen. Wer hätte gedacht, dass man als Schriftsteller so viel Zeit auf der Straße und in der Luft verbrachte. Da konnte man das gebrochene Schlüsselbein beinahe als Himmelsgeschenk betrachten, als Ermahnung, kürzer zu treten und neue Prioritäten zu setzen. Er musste sich wieder vergegenwärtigen, warum er sich gerade für diesen Beruf entschieden hatte.
»Wo ist der Fernseher?« fragte Tommy, nachdem er auch das Bad inspiziert hatte.
»Es gibt keinen.«
»Keinen Fernseher?«
»Nein. Keinen Fernseher. Kein Radio, kein Telefon, kein Internet. Sogar der Handy-Empfang ist miserabel.«
»Heilige Scheiße! Was sagtest du, wie lange du hier bleiben willst?«
»Zwei Wochen.«
»Das ist doch kein Leben, mein Junge. Wie willst du zwei verdammte Wochen allein hier draußen aushalten? Ohne Fernseher?«
»Ich muss mich frei machen von den Ablenkungen des Alltags. Außerdem habe ich einen kleinen tragbaren Fernseher dabei, falls dich das beruhigt. Einmal am Tag sehe ich Nachrichten, ich muss ja schließlich auf dem Laufenden bleiben.«
»Ablenkungen des Alltags? Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstehe, mein Lieber, aber ist das, was du Ablenkungen nennst, nicht das pralle Leben?« Tommy nahm die Bierpackung und stellte die Flaschen sorgfältig einzeln in den Kühlschrank. »Das klingt mir ja fast so, als hättest du beim
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