Blutspur des Todes
sie solle endlich auf den Highway 50 zurückfahren, doch sie hatte inzwischen völlig die Orientierung verloren und keine Ahnung, wo der war. Sie sah nur noch Autos und Gebäude um sich herumwirbeln, kurbelte am Lenkrad, bis das Kreischen der Reifen ihr Einhalt gebot, schleuderte um die eigene Achse, und auf einmal sah sie vor sich den Highway.
»Großer Gott!« stöhnte Jared.
Melanie hielt den Atem an. Der Streifenwagen hatte aufgeholt, schlingerte und hätte sie um ein Haar gerammt. Der Wagen schoss so dicht an ihr vorbei, dass sie das Gesicht des Officers unter dem breitkrempigen Hut erkennen konnte. Er war jung, und er wirkte eher verblüfft als zornig. Wieder das Knirschen von Metall. Sie schloss die Augen, doch der Aufprall, den sie erwartete, blieb aus. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte Jared sich im Sitz umgedreht und sah aus dem Rückfenster.
»Du hast es geschafft, Mel! Verdammt, du hast es geschafft!«
Sie drehte sich nicht um und sah auch nicht in den Rückspiegel. Sie wollte gar nicht wissen, was passiert war.
Stattdessen trat sie aufs Gas und fuhr auf die Kreuzung zu. An der Ampel zögerte sie.
»Nach Süden«, sagte Jared. »Rechts abbiegen, wir wollen aus Douglas County raus, weißt du noch?«
Sie warf ihm einen Blick zu und merkte erst jetzt, dass die Vorderseite seines Overalls fleckig war. Im gleichen Moment erkannte sie auch den Geruch. Der stammte nicht nur von Charlies Mageninhalt, es war Blut.
16. Kapitel
16.46 Uhr
Platte River State Park
»Und du meinst also, ich lasse das Leben einfach so an mir vorüberziehen.« Andrew nahm das Thema wieder auf, nachdem er seinen Teller beiseite geschoben und die zweite Flasche Bud Light in Angriff genommen hatte.
Tommy war noch mit seinem Filet beschäftigt. Er hatte das Handy auf dem Tisch liegen lassen, nachdem die Verbindung zu Grace Wenninghoff abgebrochen war und er vergeblich versucht hatte, sie zurückzurufen. Er hatte so getan, als sei der Anruf nicht so wichtig gewesen, doch Andrew war nicht entgangen, dass er das Telefon immer wieder anstarrte, als müsse es jeden Moment klingeln.
»Ich nenne die Dinge eben gern beim Namen«, sagte er kauend.
Andrew lehnte sich auf seinem Bistrostuhl zurück. Trotz der brütenden Hitze hatten sie sich entschieden, draußen auf der Veranda zu essen. Andrew musterte den Himmel. Wenn es doch nur endlich regnen und sich abkühlen würde. Doch die Gewitterwolken blieben in der Ferne und schienen sich vorerst damit zu begnügen, nur zu drohen. Allerdings hatte der Wind aufgefrischt und trug den Geruch von Piniennadeln und den monotonen Gesang der Zikaden herüber.
Andrew musste schmunzeln, als sich sein Freund noch einen Berg Kartoffelsalat auf den Teller schaufelte und dann nach dem vorletzten Stück von dem Knoblauchbrot griff, das er zusammen mit den Filets gegrillt hatte. Er wusste von Tommy, dass Polizisten ungeachtet aller Umstände essen konnten. Einmal hatte er ihn seelenruhig ein blutig rotes Porterhouse-Steak verputzen sehen, während er ihm die Polaroid-Aufnahmen einer verstümmelten Leiche zeigte.
Er schüttelte leicht den Kopf, als er jetzt daran dachte, und wieder einmal wurde ihm bewusst, wie unterschiedlich sie doch waren.
»Ich glaube, als Kinder hätten wir uns nicht mal gemocht.«
Nach der Anspannung des heutigen Tages begann ihm das Bier jetzt langsam wohlig in den Kopf zu steigen.
»Meinst du?« nuschelte Tommy mit vollem Mund. »Willst du noch Knoblauchbrot?«
Andrew schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Aber im Ernst.
Du hast im Sommer auf der Straße mit den anderen Football gespielt, während ich mich mit der Arbeit auf der Farm herausgeredet habe, um ungestört lesen zu können.«
»Wir haben nicht auf der Straße gespielt«, korrigierte Tommy, stand auf und verschwand durch die Tür, um die beiden letzten Biere aus dem Kühlschrank zu holen. »Football haben wir auf dem Parkplatz hinter Al's Bar and Grill gespielt«, hörte Andrew ihn aus dem Innern der Hütte sagen.
Andrew wartete, bis er zurück war. »Du und deine Freunde, ihr hättet mich garantiert aufgezogen und mich einen Bücherwurm oder sogar Weichei genannt.«
Tommy reichte ihm eine Flasche, ehe er sich wieder setzte.
»Kinder machen nun mal dumme Sachen.«
»Aber wir sind ziemlich unterschiedliche Charaktere, auch heute noch, das musst du zugeben. Du gibst dich nicht mal damit zufrieden, der beste Polizist polnischer Abstammung im Bezirk South Omaha zu sein. Du bist auch noch Kirchendiener in St.
Weitere Kostenlose Bücher