Blutspur des Todes
waren glasig und stierten ins Nichts. Konzentriert hielt sie die Spur, sah dann in den Seitenspiegel und war erleichtert, dass der Streifenwagen hinter ihnen kleiner wurde.
Auch Jared ließ den Highway hinter ihnen nicht aus den Augen, während er gleichzeitig in seiner Sporttasche nach etwas suchte. Dann hörte sie ein Klicken, warf einen Blick zur Seite und sah, dass er die Waffe nachlud.
Scheiße, hatte sie das verdammte Ding denn noch nicht genug in Schwierigkeiten gebracht?
Sie waren beide so auf den Streifenwagen an der Tankstelle fixiert, dass sie den entgegenkommenden erst im letzten Augenblick bemerkten. Erschrocken fuhr Melanie hoch, als er an ihnen vorbeifuhr.
»Bleib ganz ruhig«, mahnte Jared. Immer noch war seine Stimme beinahe sanft, doch an der ruckartigen Bewegung, mit der er sich jetzt nach hinten drehte, um aus dem Rückfenster zu sehen, erkannte sie, dass er alles andere als ruhig war.
Melanie zwang sich, nach vorne zu sehen. Sie wollte gar nicht wissen, was hinter ihr geschah. Ihre Hände zitterten, und das Hämmern ihres Herzens spürte sie bis in den Hals.
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!« polterte Jared auf einmal.
Und sie wusste, was passiert war, bevor er sagte: »Es geht los!«
18. Kapitel
17.23 Uhr
Omaha
Emily durfte die Baseballkappe mit der Aufschrift ,William and Mary' aufsetzen, die Vince während seiner Studentenzeit getragen hatte. Und er hatte seiner Tochter erlaubt, ihren Saft aus seinem Bierhumpen vom Münchner Oktoberfest zu trinken, aber Grace konnte die Kiste, in der er stecken musste, einfach nicht finden. Als sie nun an Emilys Zimmer vorbeiging, hörte sie, wie ihre Tochter gerade ihrer Freundin Bitsy von Daddys Glücksbecher erzählte.
Sie sah auf die Uhr und beschloss, noch einen Karton auszupacken, bevor sie mit den Vorbereitungen für das Abendessen begann. Erstaunlicherweise hatten sie bis jetzt überlebt, obwohl ihr Haushalt zur einen Hälfte in falsch beschrifteten und zur anderen in gar nicht beschrifteten Kartons verpackt war.
Heute Abend musste sie sich noch mit einigen Akten beschäftigen, die sie mit nach Hause genommen hatte.
Freitagmorgen hatte sie eine Anhörung. Eine junge Prostituierte mit einer Anklage wegen Drogenmissbrauch. Site nahm den Fall vor allem deshalb ernst, weil das Mädchen von Max Kramer vertreten wurde. Es wunderte sie, dass sich der gute alte Max nach seinem Erfolg in der Sache Jared Barnett und all den Medienauftritten mit so einem kleinen Fisch abgab.
Manchmal fragte sie sich, warum Männer wie er Anwälte wurden.
Wenn sie gefragt wurde – was heute allerdings nur noch selten vorkam –, warum sie Anwältin geworden war, dann führte sie immer Atticus Finch ins Feld. Als kleines Mädchen war sie von dem Anwalt aus Harper Lees Roman fasziniert gewesen, und sie liebte auch die Verfilmung
Wer die Nachtigall stört
mit Gregory Peck. Atticus in seinem stets makellosen Anzug mit Weste und der schimmernden Uhrkette war für sie als Kind die Personifizierung des Guten inmitten des Bösen gewesen.
Wegen Atticus war sie Anwältin geworden, das war eine hübsche Geschichte für die Medien, und sie hatte durchaus einen wahren Kern. Den Entschluss, Staatsanwältin zu werden, hatte sie jedoch wegen Jimmy Lee Parker getroffen, der in einer schwülen Nacht im Juli 1964 in ein Haus eingebrochen war und den schlafenden Eheleuten mit einem Baseballschläger die Schädel zertrümmert hatte.
Sie war gerade sechs geworden und hatte jene Nacht, in der Jimmy Lee Parker den Polizisten Fritz Wenninghoff und dessen Frau Emily tötete, nur drei Blocks entfernt bei ihrer Großmutter verbracht. Von diesem Sommer an hatte Wenny sie großgezogen.
Sie bezweifelte, dass es in Max Kramers Leben einen Menschen wie Jimmy Lee Parker gab, andernfalls würde er sich wohl kaum damit brüsten, einen überführten Mörder aus dem Gefängnis geholt zu haben.
Mit einem viel zu kräftigen Ruck riss Grace den nächsten Karton auf. Sie wollte nicht an diese Nacht denken, in der ihr Vater und ihre Mutter im eigenen Haus, im eigenen Bett bestialisch ermordet worden waren. Sie hob die Klappen an und tauchte mit den Händen in den Karton. Endlich – die Badetücher. Sie nahm einen Stapel heraus und trug ihn in Richtung Bad. Als sie an Emilys Zimmer vorbeikam, hörte sie ihre Tochter sagen: »Und was hat der Schattenmann dann gemacht?«
Grace blieb stehen.
»Er war hier im Haus?«
»Emily«, unterbrach sie den Monolog ihrer Tochter und ging in ihr Zimmer. »Von was
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