Blutspur des Todes
die Schlüssel zu suchen. Sie hatte sich an die Blutspritzer auf Charlies Overall erinnert und sich gesagt, dass es ja nicht noch weitere Verletzte geben müsse. Aber dann war Jared plötzlich eingefallen, dass er Hunger hatte.
»Ernsthaft, wie viele Bücher haben Sie geschrieben?«, fragte Jared noch einmal.
Melanie sah, wie Andrew Kane sich langsam aufrichtete und sich gegen die Wand lehnte. Jede Bewegung schien ihm Mühe zu bereiten. Wie hatte er sich überhaupt mit dieser lächerlichen Stange verteidigen wollen, wo sein rechter Arm doch durch die Bandage praktisch an seinen Körper gefesselt war.
»Das ist mein fünftes«, antwortete er mit einer Stimme, die kräftiger klang, als man angesichts seiner Situation hätte glauben mögen. Dann saß er da, sah Jared an und wartete auf die nächste Frage, als sei es das Natürlichste der Welt, dass sie über seine schriftstellerische Tätigkeit sprachen, nachdem Jared gerade versucht hatte, ihm den Kopf wegzupusten.
»Ich habe ein paar Gedichte geschrieben«, erklärte Jared.
Melanie starrte ihn ungläubig an und warf Charlie dann einen Blick zu, um zu sehen, ob er ihrem Bruder diesen Blödsinn abkaufte. Charlie hatte jedoch einen
Beutel Kekse gefunden und futterte sich zum Boden der Packung durch.
»Kennen Sie
Richard
Cory?« fragte Jared den Autor.
Fast hätte sie laut aufgelacht. Wie lächerlich zu glauben, dass Jared und dieser Autor dieselben Leute kannten. Zu ihrer Überraschung antwortete der jedoch: »Und Richard Cory, in einer stillen Sommernacht, ging heim und schoss sich eine Kugel durch den Kopf.«
»Ich liebe dieses Gedicht.« Jared grinste. »Da ist dieser Typ, dieser Richard Cory, und alle bewundern ihn, weil er reich ist und gut aussieht und das alles. So scheint es jedenfalls, richtig? Und dann geht dieser Typ nach Hause und bläst sich das verdammte Hirn weg. Da sieht man mal wieder, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.«
Ein Gedicht, ein beschissenes Gedicht! Melanie konnte nicht glauben, dass sie nass, frierend und schmutzig hier saß und Jared sich mit einem Mann, den er gerade eben noch hatte töten wollen, über solchen Quatsch unterhielt. Aber vielleicht bedeutete das, dass es für sie doch noch ein Happy End gab. So, wie immer in diesen Büchern.
Dritter Teil
VERDAMMT DICHT DRAN
32. Kapitel
8.05 Uhr
Omaha, Gerichtsgebäude
Als Grace Wenninghoff ihr Büro betrat, saß Max Kramer in dem Sessel vor ihrem Schreibtisch und benutzte gerade ihr Telefon. Er hob einen Finger, um ihr zu bedeuten, dass das Gespräch gleich beendet sei. Schließlich sagte er in den Hörer:
»Nein, er ist weiß. Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Ich muss Schluss machen.« Er legte auf, griff nach dem Starbucks-Pappbecher, den er auf ihrem Schreibtisch abgestellt hatte, und lehnte sich zurück – ganz so, als sei er hier zu Hause.
»Habe mein Handy vergessen«, erklärte er knapp.
»Wo haben Sie erfahren, wie grauenhaft unser Automatenkaffee ist?« erwiderte sie und beschloss, sein unverschämtes Verhalten zu ignorieren. Sie drängte sich an ihm vorbei, um hinter ihren Schreibtisch zu gelangen, stellte ihren Kaffeebecher ab und setzte sich.
»Ich bin süchtig nach diesem Zeug. Ich habe sogar schon angefangen, nachmittags Kaugummi zu kauen, um meine Entzugserscheinungen zu lindern.«
Sie zog zwei Akten aus dem Stapel auf ihrem Schreibtisch und blickte Kramer an. Kaffee war offenbar nicht seine einzige Sucht, sie konnte deutlich erkennen, dass er auch an den Nägeln kaute. Teurer Anzug, akkurat geschnittene Haare, Seidenkrawatte, und trotzdem achtete er nicht auf seine Hände. Seltsam für einen Anwalt. Sie konnte jedenfalls kein Plädoyer halten, ohne mit den Händen zu gestikulieren. Vince würde wahrscheinlich sagen, dass sie überhaupt nicht redete, ohne in der Luft herumzufuchteln.
»Ihre Klientin hat mehrere Vorstrafen«, erklärte sie kühl und kam zur Sache. Ein kurzes Geplauder über Kaffee war die einzige Nettigkeit, die sie dem Mann zugestehen wollte, der dafür gesorgte hatte, dass Jared Barnett wieder auf freiem Fuß war. »Wie kommen Sie also darauf, zu glauben, es gäbe Spielraum für Verhandlungen?«
»Sie kann den Mann identifizieren, der die Überfälle auf die Supermärkte während der letzten Wochen auf dem Kerbholz hat.« Er verkündete das wie eine offizielle Verlautbarung, lehnte sich zurück, nippte an seinem Kaffee und sah Grace an, als hätte er ihr gerade den Namen, die Anschrift und eine DNA-Analyse des Täters
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