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Blutspur

Blutspur

Titel: Blutspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Jones
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meinem Herzen war es dunkel.
      Elias war 17, als er starb. Noch in der Nacht, die er bei Dr. Mercer blieb, erlag er einer schweren Lungenentzündung. Ich hasste meinen Vater in diesem Moment mehr als alles andere. Wir waren nie bei einem richtigen Doktor gewesen, und durch Elias häufiges Kranksein hatte er immer wieder Erkältungen und Infekte verschleppt. Indirekt verdankte ich es meinem Vater, meinen Bruder verloren zu haben – unwiederbringlich.
     
    Elias fand seine letzte Ruhestätte unter dem saftigen Gras einer Wiese, unter der viele andere bereits begraben waren. Namenlose, Kranke, Alte – alles Menschen, die nie gewusst hatten, wie es war, weniger Sorgen oder ein weiches Bett zu haben. Mein Vater schnitzte ein Holzkreuz und trieb es mit trauriger Gewalt in den aufgeweichten Boden. In der Nacht zuvor hatte es geregnet, so als hatte der Himmel uns zeigen wollen, was er davon hielt, dass ein Mitglied der Familie Cross nicht mehr unter den Lebenden war. Vater musste nicht viel für die Verbrennung meines toten Bruder bezahlen. Man kannte sich und der Bestattungsunternehmer, der für die Armen und Bettler zuständig war, bekam von der Regierung Mittel zur Verfügung gestellt. Sie wollten nicht, dass sich die Cholera oder Pest bildeten, nur weil die Leichen nicht richtig begraben werden konnten. Zu der damaligen Zeit gab es viele Tote, auf Grund der Krankheiten, der fehlenden Nahrung und medizinischen Versorgung. Man konnte und wollte die Körper nicht so begraben, dafür fehlte einfach der Platz, also musste man auf Verbrennungen zurückgreifen.
     
    Mir war das egal, denn ich hatte einen Ort, wenigstens das, an dem ich Elias besuchen konnte. Ich fühlte mich schuldig – wie so oft in meinem Leben. Warum war ich nicht gegen den Willen meines Vaters zu Mrs. Blanchett gegangen? Wieso hatte ich nicht einmal diesen Mut besessen, ihm zu widersprechen? War es das Baden im See gewesen, das wir zwei Tage zuvor genossen hatten? Wir hatten herumgetollt, uns gegenseitig angestachelt, von dem kleinen Felsen zu springen, waren extra weit gelaufen, um dieses Vergnügen zu genießen. Das war das Einzige, das uns am Leben erhielt, und wo wir unseren Alltag für einige Zeit vergessen konnten.
      Viele Dinge konnte man im Leben ändern, rückgängig machen und bereinigen. Doch Elias' Tod verfolgte mich stets in meinen Träumen, die beseelt von seiner Rückkehr waren. Schlammverschmiert stand er im Türrahmen, mit toten Augen, die auf mich gerichtet waren, ein starrer Blick, der mir eine eiskalte Gänsehaut über den Körper trieb. Er zeigte mit seinem knochigen Finger auf mich und krächzte vorwurfsvoll: „Warum hast du mir nicht geholfen, Brandon, warum?“ Dabei fielen aus seinem Mund ein paar Klumpen Erde.
      Schweißgebadet hatte ich mich aufgesetzt. Mein Herz schlug so wild, dass es schmerzte. Ich war es, schon immer, ich trug die Mitschuld wie mein Vater. Und deswegen würde ich auch nicht zulassen, dass Virginia bei den Dunklen starb oder dass diese Kreaturen sie für ihre Sache missbrauchten.
      Für wahr, ich würde kämpfen, so, wie ich es damals nicht getan hatte.
     
    Es klopfte leise, was Blood mit einem leisen Knurren beantwortete. Ich erhob mich schwerfällig und ging zur Tür, er folgte mir sofort. Einer der Diener überreichte mir ein Kärtchen, das auf einem Silbertablett lag. Er verbeugte sich kurz und wandte sich um, während ich die die Tür schloss. Ich ahnte, welche Nachricht darauf stand. Mit leicht zitternden Fingern faltete ich das kleine Stück Pergament auf.
     
    Bitte  finden  Sie  sich  heute um  18  Uhr  auf   dem 
    Waldfriedhof  ein.
     
    Mehr war nicht nötig, man würde die Getöteten bestatten. Ich kannte das Ritual, das abgehalten wurde, zu gut. Wenigstens würden ihre Seelen an einem besseren Ort verweilen als in der kalten, feuchten Erde. Es war mir immer eine Genugtuung, zu wissen, dass die Dunklen nicht fähig waren, derartige Zeremonien abzuhalten. Sie kannten weder Regeln, noch Konventionen, die wir uns in den Jahrzehnten zu einem angenehmeren Dasein und Zusammenhalt zurechtgelegt hatten. Und der Fluch war immer noch so stark, dass sie keine neuen Kräfte dazu bekamen. Schon oft hatte ich Geschichten darüber gehört, wie sie versuchten zu neuen Fähigkeiten zu gelangen.
     
    Der Friedhof lag unweit des Flusses, versteckt und eingeschlossen in einem Labyrinth, dessen Eingang durch einen Bannspruch geschützt war. Man konnte ihn auf keiner Karte sehen. Für die Menschen

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