Blutspur
ärgerlich.
„ Willst nicht mehr an die Zeit erinnert werden, wie? Kann ich verstehen. Aber nun liegen die Dinge anders, mein junger Freund.“
Er kam zu mir und stellte sich aufrecht vor mich hin; trotzdem reichte er mir gerade mal bis zum Halsansatz.
„ Sie lassen die Prinzessin am Leben, bis du dich entscheidest oder verwandeln sie noch nicht, habe ich recht?“
Ich biss die Zähne zusammen und nickte.
„ Sie verfolgen ein anderes Ziel, glaub mir. Warum wollen sie dich wieder haben? Warum bist du so wertvoll? Und wieso sollten sie das Mädel nicht zu ihrer Königin machen? Das ergibt keinen Sinn. Sie wollen nur, dass Darius stirbt, das ist alles.“
„ Glaubst du nicht, dass ich das nicht weiß? Könnte Darius selbst der Maulwurf sein? Ist das womöglich ein Test?“
„ Du stellst Fragen, Brandon. Wie lange hast du Zeit?“
„ 48 Stunden.“
„ Ich rufe dich an. Hast du ein Handy?“
„ Hör mir bloß auf mit Handys, damit hat alles angefangen.“
Er ging um seinen Schreibtisch herum und durchwühlte die oberste Schublade.
„ Hier.“
Ich nahm ihm das Blackberry aus der Hand.
„ Danke. Bist du heute Abend auch auf dem Begräbnis?“
„ Damit sie mich gleich an Ort und Stelle verscharren können? Nein, danke.“
Ein Lächeln glitt über seine Züge.
„ Man könnte meinen, dass ich immer verdammtes Glück hatte.“
„ Und? Hattest du?“
Gespannt sah ich ihn an. Sein Blick schweifte zum Kamin, verweilte im Feuer.
„ Manchmal kann man seinem Glück auf die Sprünge helfen.“
Ich nickte. „Weißt du, wo sich der Schwarzmarkt befindet?“
„ Nein, noch nicht. Aber ich rufe dich an, sobald ich es weiß.“
Ich verabschiedete mich von Blood und bat Whistler, ihn als Wiedergutmachung ordentlich zu füttern. Er grinste nur, und als ich im Begriff war, zu gehen, wandte ich mich nochmals um.
„ Ich habe noch andere schlechte Nachrichten.“
„ Was kann das denn noch toppen?“
„ Der Dunkle heute konnte sich in Rauch auflösen.“
„ Heilige Scheiße!“ Whistler schlug sich die Hand vor den Mund. „Und das sagst du mir jetzt erst?“
Ich sah, wie er den Telefonhörer zur Hand nahm, blickte ein letztes Mal Blood an, der seinen Kopf mit traurigem Blick auf den Vorderpfoten legte, dann verließ ich den Viper Club .
3. Kalte Gräber und heißer Mondschein
Die Stadt war in Finsternis gehüllt, während die Beerdigung der Gefallenen stattfand. Um kurz vor sechs Uhr abends hatte ich mich vor den Friedhofstoren eingefunden, ein paar bekannte Gesichter gesehen und es vermieden, mit jemandem zu sprechen. Selbst Rafael nickte mir nur zu und sprach dann ein paar Worte mit einem der Priester, um die letzten Formalitäten abzuklären. Sebastian war kurz zu mir gekommen und sprach mir Mut zu. Daran mangelte es mir nicht; ich machte mir eher Gedanken darum, dass ich nichts Unüberlegtes tat.
Die Schatten schienen mich zu verfolgen und regelrecht zu bedrängen, so, als wollten sie in mein Innerstes eindringen. Langsam kam es mir vor, als würde ich durchdrehen, schien ich doch die Ruhe selbst zu sein. Hatte man mir auch irgendwelche Beruhigungsmittel eingeflößt oder ließen mich die Zustände einfach kalt? In mir brodelte es und mit kühner Gewissheit ahnte ich, dass mein Panzer, der sich um meinen Verstand und Körper geschlungen hatte, langsam Risse bekam. Risse, die sich heimlich und doch schnell vergrößerten.
Laternen beschienen in einem warmen Gelb die Wege und spendeten durch ihr Licht den einzigen Trost, den man an einem kühlen und regnerischen Nebelabend erwarten konnte. Die Schwaden bahnten sich ihren Weg vorbei an den Gräbern und kahlen Bäumen, schienen die Luft aufzusaugen und tauchten die Ruhestätte der Toten in ein undurchsichtiges Reich.
Die Träger bewegten sich langsam und geschlossen vorwärts. Die Särge, gefertigt aus dunkelbrauner Eiche, schienen über ihren Köpfen zu schweben. Der Regen prasselte unaufhörlich seine Melodie auf das Holz, durchnässte die Baumkronen, das welke Gras und unsere Kleidung. Ich blickte in die Pfützen, die sich unter den andauernden Schauern gebildet hatten. Dicke Tropfen sammelten sich auf den Ästen und Zweigen der kahlen Bäume, hin und wieder tauchte eine Tanne zwischen ihnen auf, die majestätisch ihren Platz behauptete.
Die Engelsfiguren, Putten mit schönen, aber traurigen Gesichtern beobachteten uns mitleidig. Sie
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