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Blutspur

Blutspur

Titel: Blutspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Jones
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der Trauergästen abzuhalten. Mein Ledermantel war bereits durchnässt. Ich wischte mir die Regentropfen aus dem Gesicht und wrang mein Haar mit der Hand ein paar Mal aus. Mein Blick fiel auf die Fackeln, die in den weichen Boden gesteckt worden waren. Wild tanzten die Flammen umher, eingefangen vom kühlen Novemberwind, der wie ein unzähmbarer Wolf heulte.
      Pierre blickte abschätzig zu mir herüber, was ich mit einem breiten Grinsen beantwortete. Mir war noch immer unklar, wie es so ein Idiot in den Rat geschafft hatte. Vielleicht hatte er mit seiner französisch-charmanten (und für mich widerlichen) Art irgendjemanden bezirzt, um diesen Posten zu bekommen. Anders konnte ich mir nicht vorstellen, wie dieser weichgespülte Heini so viel Glück haben konnte. Ob er der Verräter war? Ich befürchtete nur, dass er zu wenig Gehirnmasse dafür hatte.
      Die Chroniken des Ordens wurden Rafael gebracht. Er nahm das in Leder gebundenen Buch bedächtig an sich, schlug es auf der Seite auf, die er brauchte, um die Zeremonie einzuleiten und augenblicklich war es still unter den Gästen. Das Fauchen des Sturms und das immer währende Prasseln des Regens waren noch lauter zu vernehmen. 
      Die Särge wurden vorsichtig auf die hydraulischen Vorrichtungen nieder gelassen. Später würden sie automatisch in das nasse Grab hinunterfahren und somit ihre letzte Ruhestätte finden.
      Über diesem Ort lag die schwarze Kunst unserer Hexer, Bannsprüche schützten uns vor den neugierigen Blicken der Menschen. Es kam mir vor, als würde der Wind die Stimmen der Toten zu uns tragen, als wollten sie uns all das sagen, was wir nicht wussten oder ahnten. Ein Klagelied, dessen Gesang in einer anderen Sprache zu uns getragen wurde. Und niemand vermochte sie zu verstehen.
      Die Grabsteine waren bereits gesetzt; sie schimmerten in einem matten Schwarz-Blau, auf ihnen war der Name und der Zeitpunkt der Geburt als Vampir und des Ablebens gehauen.
      Rafael räusperte sich noch einmal vernehmlich.
      „ Und wieder stehen wir hier, um unsere tapferen und loyalen Soldaten zu beerdigen. Es waren nicht nur Söldner, die diesmal hinterrücks umgebracht wurden, sondern auch Sicherheitsleute, die ihr Leben lassen mussten, weil es unter uns einen oder mehrere Verräter gibt.“
      Traurig sah Rafael in die Runde. Er wirkte gebrochen, weil ihn der Umstand auffraß, dass man niemandem mehr trauen und glauben konnte. In diesen Zeiten war nicht einmal der Rat sicher. Um uns herum standen unsere besten Krieger – die Sturmtruppen. Erwartete man einen Angriff? Hier, auf unserem heiligen Boden? Auszuschließen war nichts, auch wenn die Dunklen diesen Ort der Toten noch nie hatten betreten können. Doch nachdem ich heute mit eigenen Augen gesehen hatte, wie sich der Dunkle aus schwarzem Rauch geformt hatte, erschien mir nichts mehr unmöglich.
      Die Worte von Rafael vermischten sich mit den Geräuschen der Natur. Er verwendete die alte Sprache, die ein wenig rumänisch klang. Ich fand die Worte immer faszinierend, konnte sie nie perfekt aussprechen, obwohl ich ihre Bedeutung kannte. Zu oft hatte ich die Zeilen gehört, die die Seelen aus den Körpern zog, sanft gefangen nahm und auf die letzte Reise schickte. Man musste es sich wie im alten Ägypten vorstellen. Dort vertraute man darauf, dass es ein Leben nach dem Tod gab, wenn man bestimmte Bräuche abhielt.
      Wir glaubten daran, dass unsere Krieger einen Platz im Himmel bekamen, auch wenn es sich reichlich schnulzig und theatralisch anhörte. Aber immer noch besser, als in der Hölle zu schmoren.
     
    Die Luft war plötzlich von Lavendelduft geschwängert. Er kam mir mehr als bekannt vor. Ich bemerkte, dass ich angestarrt wurde und hob den Kopf, um zu sehen, ob ich unter Verfolgungswahn litt. Mir stockte der Atem, während ich in ein vertrautes Gesicht blickte. Wieso war sie hier? Soweit ich wusste, war sie an der Küste tätig und rekrutierte dort neue Leute für den Orden. Kendra sah mir unverhohlen in die Augen, ein leichtes Lächeln huschte über ihre hübsch geschwungenen Lippen. Sie war vollständig in Leder gekleidet, ihr pechschwarzes Haar war zu einem Zopf gebunden, das Make up schien wasserfest zu sein und zauberte zarte Farben auf ihr sonst so bleiches Gesicht. Ich hatte mal etwas mit ihr, und als ich darüber nachdachte, wann das war, kam ich mir vor wie ein Greis, der an seine Jugend dachte, nur, dass ich nie alt war, sondern einfach nur viele Jahre als junger Mann gelebt hatte.

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