Blutspur
flüsterte er kaum vernehmbar.
Ich sah eine Träne in einem Augenwinkel glitzern und war gerührt. Ich fühlte, wie auch in mir wieder die Tränen aufstiegen. Schnell ging ich zu einem der Sessel und setzte mich zitternd darauf.
„ Möchtest du etwas trinken? Etwas Stärkeres?“, bot Brandon mir an.
„ Nein“, wehrte ich ab, „es geht schon, danke.“
„ Wie hast du geschlafen? Wie geht es dir?“, fragte Rafael und sein Blick schien mich von Kopf bis Fuß abzutasten. Hatte er Furcht, dass ich mich gleich verwandelte?
„ Wie soll es mir gehen? Wenn ich nicht diese Beruhigungsmittel bekommen würde, dann würde ich vermutlich den ganzen Tag schreien und zähneklappernd im Bett liegen. Das Zeug ist gut.“
„ Es soll dir helfen, Virginia“, beschwichtigte mich Brandon. Seine warmen, braunen Augen ruhten auf mir. Wie gern hätte ich in seinen Armen gelegen und an gar nichts gedacht, an absolut nichts. Nur den Schlag seines Herzens wollte ich vernehmen, an meinem Ohr hören und mich weit weg denken, in mein altes Leben, das es so nie mehr geben würde.
„ Die Sicherheitsvorkehrungen wurden verdreifacht“, informierte Rafael meine Eltern.
„ Sie ist sehr gut geschützt.“
„ Das habt ihr schon einmal gesagt.“
Dad machte eine abwehrende Handbewegung und setzte sich zu mir an den Kamin.
„ So wurde meine Mutter damals getötet“, sagte ich tonlos und wurde mir der Tragweite meiner Aussage erst danach bewusst.
Alle Blicke ruhten auf mir.
„ Wie meinst du das?“ Brandon kam langsam näher.
„ So haben sie sie umgebracht. Es war auch jemand, der ihr nahestand oder in ihrem näheren Umfeld war. Entweder vertraute sie ihm oder er war aus dem Rat. Genau das Gleiche wird mir passieren, oder?“
Meine Stimme war immer leiser geworden. Ich würde nirgendwo sicher sein, an keinem Ort der Welt.
„ Das wird nicht noch einmal passieren“, sagte Rafael energisch. „Wir haben daraus gelernt.“
Die Tür ging auf und Darius trat ein. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, verkündete er mir, dass er ein Dunkler war und Brandon als mein Bodyguard abkommandiert werden sollte. Und nun hatte ich erfahren, dass er so für mich eingestanden hatte. Ich wusste nicht so recht, wie ich ihm begegnen sollte.
Darius machte keine Anstalten, mich zu begrüßen, stattdessen ging er zur Bar und schenkte sich einen Drink ein. Von seinem Wesen her hatte er sich nicht verändert. Er war immer noch so unzugänglich und arrogant. Deswegen fragte ich mich, warum er das für mich getan hätte. Es hing sicher damit zusammen, dass er nicht wollte, dass die Dunklen die Weltherrschaft an sich reißen wollten. Und warum er sich von ihnen so verbittert abgewandt hatte, das hatte mir Brandon inzwischen erzählt. Familienbande waren stärker als alles andere, und sogar ein Dunkler schien mehr Herz zu haben, als man ihm zutraute.
„ Es wird Krieg geben“, sagte er mit krächzender Stimme, die mir stets eine Gänsehaut verursacht hatte.
„ Das ist nichts Neues, mein lieber Freund.“ Rafael schob einen Sessel für meine Mutter zurecht. Sie setzte sich neben mich und nahm meine Hand.
Rafael und Darius ließen sich auf die verbliebenen Sessel nieder, sodass die illustre Runde, aus der wir bestanden, vor dem prasselnden Kamin saß.
Der gesamte Raum war in Brauntönen gehalten und lebte von schweren Teppichen und rustikalen Möbeln. Eben jener Geschmack, den die Vampire aus ihrer Zeit in die heutige transportiert hatten.
Brandon stand am Fenster und sah nachdenklich aus.
„ Wo ist Blood?“, fragte ich. „Darfst du ihn nicht mit hier hineinbringen?“
Ich warf Darius einen schnellen Blick zu, der jedoch auf sein halbleeres Glas starrte.
„ Er ist hier, in meinem Zimmer. Ich hatte ihn zwischenzeitlich woanders untergebracht, aber das ist jetzt nicht mehr nötig.“
„ Darf ich ihn sehen?“, fragte ich.
„ Natürlich, ich bin gleich wieder da.“ Brandon verließ das Zimmer, Darius verdrehte theatralisch die Augen.
Ich vermisste den Hund, der mir so viel Trost gespendet hatte. Und immer, wenn ich Brandon sah oder an ihn dachte, klopfte mein Herz wie wild. Er benahm sich freundlich und zuvorkommend, aber sehr zurückhaltend.
Kurz, bevor ich entführt worden war, hatten wir uns geküsst. Es war ein sehnsuchtsvoller Kuss gewesen, voller aufgestauter Gefühle. Da waren Kolibris in meinem Magen gewesen, die ihn
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