Blutspur
und nahm mich in den Arm.
„ Bitte entschuldige, Virginia! Denk nicht immer so von mir, das ist alles, worum ich dich bitte.“
Er sah mich flehentlich an.
„ Dann sei nicht immer so unnahbar“, warf ich ihm vor.
„ Können wir nun weitermachen?“
Der Doktor trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
„ Szenario Nummer Eins: Sie werden eine Reine, dann ist alles gut und wir müssen nicht eingreifen. Szenario Nummer Zwei: Sie werden eine Dunkle, dann haben wir hier etwas, womit wir hoffen, dass wir den Prozess aufhalten oder umkehren können.“
Er hielt mir eine Phiole mit einer violetten Flüssigkeit hin. Ich nahm sie in meine Hand und sah gelbe Kristalle darin glitzern.
„ Das sieht wunderschön aus“, sagte ich.
„ Und Nummer Drei: Sie bleiben wie Sie sind, und dürfen somit entscheiden, ob Sie gebissen werden wollen, damit die Verwandlung eintritt. Sie wären eine normale Reine, hätten nicht die Macht, die Sie in sich als Königin verinnerlichen sollen, aber es wäre zu überlegen.“
Das hatte ich nicht erwartet. Man wollte also ausharren und sehen, was mit mir geschah. Kein künstliches Eingreifen. Mir war einfach nicht klar, wie ich mich ohne das alles verwandeln sollte. Also musste es in mir doch schon schlummern, dieses Gen, das mich so anders machte.
„ Ist mein Körper vollständig menschlich? Oder gibt es Hinweise darauf, dass ich ein vampirisches Gen in mir trage?“
„ Darauf wollte ich gerade eingehen“, sagte der Doktor und führte mich zu einem Bildschirm. „Das ist Ihre DNA, und auf dem anderen Bildschirm die eines Menschen. Sehen Sie den Unterschied? Im Normalfall besteht der Strang aus einer Doppelhelix. Ihre aber ist...“
„Dreifach...“, beendete ich fassungslos seine Ausführungen.
Ich konnte es nicht glauben.
„ Wenn man auf normalem Wege das Blut untersucht, fällt das nicht auf. Ich habe dafür eine Spezialuntersuchung getätigt. Es ist eigenartig und hat sich sicher erst in den letzten Wochen gebildet. Damals lebten Sie mit ihren Zieheltern in dieser Stadt, wie Sie noch wissen, und unser Arzt hat Sie immer dann ausgiebig untersucht, wenn Sie krank waren. Zu diesem Zeitpunkt hat man nichts Auffälliges bemerkt. Doch nun sieht es ganz danach aus, als wenn die Prophezeiung eintrifft.“
Ich musste mich setzen, weil mir die Furcht den Atem nahm. Mal wieder. Es würde also geschehen. Man konnte Szenario Drei getrost ausschließen. Die Verwandlung würde kommen, es war nur nicht gewiss, wie sie enden würde.
7. Übung macht den Meister
Der Tag war schnell verflogen. Ich hatte mit meinen Eltern ein ausführliches Gespräch geführt, mit Rafael und Darius geredet und versuchte, den Mut, den sie mir machten, zu verinnerlichen. Es gelang mir keine Sekunde. Zu groß war die Angst, die Ungewissheit, die sichere Erkenntnis, dass ich mein Schicksal nicht umgehen konnte.
Rafael hatte einen Revolver untersuchen lassen, der nicht von dieser Welt zu stammen schien. Es war eine gefährliche Waffe, die nun nachgebaut werden sollte, damit der Krieg nicht mehr so aussichtslos war. Brandon hatte ihn bei den Dunklen an sich genommen, und so fragte ich mich, ob nicht auch das Serum, das sie mir verabreicht hatten, so weit entwickelt war, dass ich keine Chance hatte, nicht zu einem blutrünstigen Monster zu mutieren.
Offenbar war man zu der Erkenntnis gekommen, dass es sinnlos war, mich und Brandon voneinander fern zu halten, oder man wollte mir noch ein paar schöne Stunden lassen, bevor ich meinen Blutgeburtstag feierte.
Brandon folgte mir mit Blood auf mein Zimmer. Ich sah ihm an, dass er sich sorgte und fühlte die Zerrissenheit, die sich immer mehr in mir ausbreitete. Ich legte mich auf mein Bett, noch immer völlig aufgewühlt und an Schlaf war nicht zu denken. Beim Abendessen hatte ich kaum etwas hinunter bekommen und auch sonst ging es mir nicht gut. Blood kuschelte sich an mich, was mir ein behagliches Gefühl durch den Körper strömen ließ. Tiere waren die amtlichen Seelenstreichler , das hatte ich irgendwo einmal gelesen.
Ich sah Brandon dabei zu, wie er sein Hemd auszog. Darunter trug er ein schwarzes T-Shirt, das sich kurz nach oben zog. Ich erhaschte einen Blick auf seinen Rücken, der mit vernarbtem Gewebe überzogen war.
„ Was sind das für Narben?“, fragte ich interessiert und sprang auf.
Er richtete schnell sein Shirt und sagte nur: „Das
Weitere Kostenlose Bücher