Blutspur
ist nichts.“ Und damit schien für ihn die Sache abgeschlossen zu sein. Doch diesmal kam er mir nicht so einfach davon.
„ Zeig es mir“, verlangte ich gerade heraus.
Er atmete tief durch und zog sich das Shirt über den Kopf. Seine Muskeln waren ausgeprägt, aber nicht zu überladen, was seinen Oberkörper geschmeidig erscheinen ließ. Er wandte mir den Rücken zu und ich zuckte zusammen. Fast der gesamte Rücken war von kleinen und ganz langen Narben übersät, die zwar recht gut verheilt waren, aber rissig und von der Farbe her viel heller waren als seine normale Haut.
„ Darf ich es anfassen?“
Brandon nickte leicht und blieb ganz ruhig stehen. Ich hob meine Hand und ließ sie behutsam über seinen Nacken gleiten, dann vorsichtig weiter hinab. Die Fingerspitzen berührten zärtlich die Male, die nie wieder von seinem Körper abklingen oder verschwinden würden. Die Haut fühlte sich härter und verwachsen an diesen Stellen an. Ich stellte mir die Schmerzen vor, die er empfunden haben musste, als sie sie ihm zufügt hatten, und ich fragte mich, aus welchem Grund es passiert war. Hatte er sie in einem Krieg davongetragen, oder war es gar eine Bestrafung gewesen? Es mussten sich zu seiner Zeit um schwerwiegende Verletzungen gehandelt haben, denn ein Vampir, so wusste ich, hatte die Heilungsgabe. Bei dem einen gelang dies schneller, bei anderen dauerte es länger; regenerieren konnten sich aber alle. Ich spürte, wie Brandon eine Gänsehaut bekam, er hatte die Augen geschlossen. Ich blickte ihn von der Seite an; er schien die Berührungen zu genießen. Seine Haut war angenehm warm unter meiner Hand, schien mit ihr zu verschmelzen. Langsam umfasste ich seinen Körper mit meinen Händen und lehnte mich an ihn. Sein Duft, so vertraut und federleicht, wehte zu mir herüber. Er verschränkte seine Finger mit den meinen und legte den Kopf zurück, ich lehnte meine Stirn an seinen Nacken.
„ Wer hat dir das zugefügt?“, flüsterte ich.
„ Ich hatte es verdient.“
„ Danach hatte ich nicht gefragt.“
Er drehte sich zu mir um und schloss mich fest in seine Arme. Wie hatte ich das vermisst. Wir waren uns nur einmal so nahe gekommen, aber das hatte gereicht, um mich zu verwirren, wodurch eine innige Zuneigung in mir heranwuchs, deren Blüten sich in Zeitlupe bereits öffneten.
„ Ich habe einiges getan, worauf ich nicht stolz bin. Es waren Dinge, über die ich nicht reden möchte“, hauchte er in mein Haar. „Weißt du eigentlich, in welcher Sorge ich um dich war?“
Er schaute auf mich herunter. Seine Augen verrieten einen Bruchteil der Traurigkeit, die ihn durchströmt haben musste.
„ Du willst nur ablenken“, lächelte ich und bettete meinen Kopf wieder an seine Brust.
„ Du bist schlau, Prinzessin.“
Brandon löste sich von mir und zog sich wieder sein Shirt an.
„ Erzähl mir noch ein bisschen von dir“, bat ich ihn. „Das lenkt mich sicher etwas ab.“
Ich legte mich wieder zu Blood, der mich verschlafen anblickte und zufrieden brummte. Brandon setzte sich im Schneidersitz auf das Bett.
„ Hältst du Sicherheitsabstand?“, scherzte ich augenzwinkernd.
Er verdrehte gekünstelt die Augen. „Was du wieder denkst! Ich versuche bloß die richtige Position zu finden, um meine Sünden zu beichten.“
Ich prustete los. „Gibt es dafür überhaupt die richtige Postion?“
„ Du hast keine Ahnung, wie schwer es mir fällt, überhaupt jemandem aus meinem Leben zu erzählen, und ganz besonders dir. Ich möchte nicht, dass du schlecht über mich denkst, weil du mir so wichtig bist.“
Mit diesen Worten hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Sie waren so gnadenlos ehrlich, einfach wunderbar anzuhören und fuhren durch mein Herz wie eine Stichflamme.
„ Ich würde niemals schlecht über dich denken...“
„ Wart's ab, ich habe noch gar nicht angefangen.“
Nun war es an mir, theatralisch zu seufzen. „Ich möchte dich einfach besser verstehen und mehr über dich wissen. Zum Beispiel, warum du manchmal so unnahbar bist und abweisend, dann aber wieder das ganze Gegenteil.“
Ich sah ihm fest in die Augen. „Um dich zu verurteilen möchte ich es nicht wissen, Brandon, so glaube mir doch.“
Er schien etwas besänftigt, lächelte leicht und schaute zum Fenster, an dem sich die Tropfen sammelten. Der Regen, der die letzten Tage und Nächte fiel, hatte sich mit seinen dunklen Wolken am Himmel festgesaugt.
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