Blutspur
dass sie sich erst ein paar Wochen kannten und nicht schon seit so vielen Jahrzehnten.
Maggies rote, wellige Mähne, die ihr locker über die Schultern fiel, ihre grazile Gestalt und die einnehmende Art, die sie versprühte, machte sie sicher für viele Männer attraktiv. Alexio war ihr restlos verfallen. Seine männlichen Züge wurden von dem kleinen Bärtchen unter der Nase unterstrichen, er trug wie so viele Reine einen Zopf, was speziell ihm etwas Verwegenes verlieh. Er wirkte interessant.
Auf einem Beistelltisch lagen Unmengen von Geschenkpäckchen, die alle für mich bestimmt waren. Ich sollte sie öffnen, doch ich weigerte mich, und war überzeugt davon, dass es Unglück brachte. Brandon wollte mir sein Geschenk schon am Morgen geben. Ich hatte es angenommen und unter mein Kissen geschoben, was er mit einem Schulterzucken akzeptiert hatte. Damit, so hoffte ich, gab ich mir das Versprechen, dass ich es später als reine Vampirin auspacken konnte, die alle Sinne beisammen hatte und nicht zur Tötungsmaschine mutiert war. Daran klammerte ich mich.
Die letzten Stunden verbrachte ich kuschelnd mit Brandon und Blood. Ich hörte Brandons samtweicher Stimme zu, die mir mehrfach versicherte, dass alles gut werden würde.
Ich verabschiedete mich um kurz vor Mitternacht von Maggie und Alexio, umarmte Blood ganz fest, bevor ich von Brandon und meinen Leibwächtern ins Labor begleitet wurde. Der gesamte Rat war dort versammelt und wartete auf mich. Brandon hielt meine Hand, während mir der Doktor ruhig erklärte, was er gleich tun würde. Ich hatte es schon gefühlte Hundert Male gehört, und wieder trieb mir die bildliche Version dessen, was gleich geschehen würde, das Blut in die Wangen. Meine Beine zitterten unkontrolliert und alles in mir schrie danach, diesen sterilen Raum schnellstmöglich zu verlassen. Die Gerüche nahmen mir die Luft, es roch stark nach Desinfektionsmittel. Vielleicht waren meine Vampirsinne dafür verantwortlich, dass ich es so intensiv wahrnahm, denn sie hatten sich von Tag zu Tag mehr geschärft. Vier Mitglieder der Sturmtruppen standen vor der Tür Wache, zwei Laborangestellte überwachten meine Herztöne, der Doktor lief nervös auf und ab und machte mich damit total kirre.
Ich schaute zu der grauen Uhr, die bedrohlich die Zeit weiter voran schreiten ließ.
23:50 Uhr … sie wünschen mir alles Gute, sagten, dass sie immer für mich da wären. Mom und Dad hatte ich gebeten, nicht zu kommen. Erst, wenn sich herausstellen sollte, dass ich wirklich noch ich war, wollte ich sie sehen. Die Furcht davor, ihnen etwas anzutun, war groß, auch wenn man meine Zweifel immer wieder zerstreute.
23:55 Uhr … der Doktor schnallte mich fest; umschloss meine Handgelenke und Knöchel mit den Titanfesseln. Ich trug ein schwarzes, langes Kleid. Ich nannte es den Leichensack … sehr einfallsreich war das nicht, nicht einmal ironisch, denn ich hatte es mir selbst ausgesucht. Der Doktor entschuldigte sich, weil er in den Ausschnitt meines Kleides fassen musste. Er brachte ein kleines Gerät nahe meiner Brust an, heftete es an meinen BH und klebte es an der Haut fest.
„ Damit werden Ihre Herztöne gemessen“, informierte er mich.
Brandon stieg zu mir hoch, bis sein Gesicht genau vor meinem war.
„ Ich bin bei dir, dir wird nichts geschehen“, versicherte er mir glaubhaft und gab mir einen Kuss, der mich für den Bruchteil einer Sekunde alles vergessen ließ.
„ Ich liebe dich, Virginia.“
„ Ich dich auch“, hauchte ich und schloss kurz die Augen.
23:59 Uhr … mir wurde übel, mein Herz raste, das Blut toste in meinen Venen, der Raum verschwamm vor meinen Augen ...
„ Sagt meinen Eltern, dass ich sie sehr liebe“, brachte ich noch hervor, bevor ich einen stechenden Schmerz in der Brust spürte.
0 Uhr ... Ich schrie und bäumte mich auf. Mein ganzer Körper wurde von brennenden Stichen durchzogen. Ich spürte nur noch die grausame Folter, die mir fast die Sinne raubte. Stimmen drangen zu mir durch, ich nahm Gesprächsfetzen wahr.
„ Tun Sie doch was ... sie hat Schmerzen … verdammt nochmal.“ Das war Brandon.
„ ... abwarten … nein, ich kann ihr nichts geben … so warten Sie doch...“ Der Doktor.
„ Halte durch, mein Mädchen ...“ Rafaels besänftigender Tonfall.
Ich wollte etwas erwidern, aber meiner Kehle entrang sich kein einziger Laut. Mein Blut brannte wie flüssiges Feuer, die Ohnmacht kam
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