Blutspur
gegen sechs Männer, keine guten Aussichten. Doch ich war zu lebensmüde, um das zu begreifen. Ich wollte einen Kampf, es dürstete mich danach, Blut fließen zu sehen, und das in Unmengen.
Süffisant lächelnd ging ich auf Brandon zu, der das Gewehr anhob und auf mich zielte.
„ Tue es nicht, Brandon“, schaltete sich Sebastian plötzlich ein.
Alle sahen ihn an. Er stand an der Tür und hielt eine Waffe in die Richtung seines Freundes. Ungerührt stand er da, seine Miene leer und nichtssagend.
Brandon ließ das Gewehr sinken. „Was soll das?“
Er war wie vom Donner gerührt, schien nichts zu begreifen und ich ehrlich gesagt auch nicht.
„ Ist das nicht offensichtlich?“, fragte Sebastian gelangweilt. „Du warst schon mal besser drauf, Brandon. Das müsste dann aber in deiner Drogenzeit gewesen sein, oder die bei den Dunklen. Damals funktionierte dein Verstand noch messerscharf, erzählte man sich jedenfalls.“
Wie selbstgefällig Sebastian klang; dabei war er mir immer wie der Good Boy vorgekommen, der ruhig und gelassen agierte. Das hatte er sich auch getan, aber offenbar nicht so, wie man dachte.
„ Das ist eine spezielle Anfertigung. Das Baby in meiner Hand schießt pro Sekunde zehn Schuss durch den Lauf. Die Kugeln haben eine besondere, tödliche Mischung. Eine falsche Bewegung und ihr segnet das Zeitliche.“
„ Ich dachte, das habe ich schon“, erwiderte Darius darauf trocken.
„ Sieh an, du beweist Humor, mein Lieber“, grinste Sebastian. „Ich bringe dich hier heraus“, sagte er dann zu mir gewandt.
„ Dann bist du es also. Du bist der Verräter?“
Brandons Stimme war leiser und rauer geworden, er kämpfte mit seinen Emotionen. Meine Sinne waren geschärft, ich konnte die Luft knistern hören.
Sebastian verbeugte sich kurz. „Du hast eben den Hauptpreis gewonnen, ganz schlaues Kerlchen. Es war gar nicht so einfach, die Fassade ständig aufrecht zu erhalten, Freundschaft zu heucheln und mir absolut nichts anmerken zu lassen.“
Er schüttelte den Kopf, um etwas in sich loszuwerden, das sich eingenistet hatte, als wolle er etwas verdrängen, das sich jedoch niemals bezwingen ließ.
Er war also der Maulwurf. Ich hatte die ganze Zeit Darius in Verdacht gehabt, bis auf die letzten Tage, aber dass es Sebastian war, Brandons bester Freund, das war doch eine Überraschung. Nur war ich nicht länger jemand, den er entführen oder beseitigen musste, sondern seine Verbündete.
„ Wieso?“, fragte Brandon eisig. „Dann war alles nur gespielt? Die ganzen Jahre? Ich verstehe es einfach nicht.“
„ Dann werde ich es dir gern erklären.“
Sebastian grinste, legte den Zeigefinger an die Lippen und ließ seinen Blick durch das Labor schweifen.
„ Fangen wir einfach damit an, dass nur die Wenigsten wissen, dass mein Vater Lana heiraten wollte, um es gleich auf den Punkt zu bringen. Da staunst du, was?“
Irritiert schauten die versammelten Vampire Sebastian an, ich inklusive.
„ Ich wusste nicht, dass...“
„ Niemand ahnte etwas, die beiden hatten eine heimliche Affäre. Vater liebte sie abgöttisch, aber dann kam John.“ Sebastian lachte hysterisch auf.
„ Lana vergaß alles um sich herum, als sie sich das erste Mal erblickten. Jeder konnte es fühlen, es war offensichtlich, und meinem Vater brach es das Herz. Lana versuchte mehrfach, mit ihm zu reden. Sie entschuldigte sich, konnte nicht gegen ihre Gefühle ankämpfen. Das sagte sie auch mir, doch ich sah nur Vater und dass er nicht mehr derselbe war. Er war fortan ein gebrochener Mann und lebte vor sich hin, hatte an nichts mehr Freude. Reicht das als Grund, um jemanden so zu hassen und ihn zu töten?“
Er schaute jeden einzeln an. Es war kein Blick, der dazu aufforderte, eine Meinung abzugeben, denn die hatte er sich schon seit langem gebildet.
„ Lana bekam ein Kind, ihr Glück mit John schien perfekt. Die Prophezeiung hatte sich auch noch erfüllt, zumindest, was die Geburt betraf. Ein Mischwesen, halb Vampir, halb Mensch, doch es war nie gewiss, ob sich die Vorhersehung erfüllt. Nun wissen wir, dass es wirklich so eintraf, aber das Serum hat sie zu einer Dunklen gemacht. Wie fühlt sich das an, Virginia?“
Ich haderte mit meiner Antwort. Zuerst kam mir in den Sinn, dass ich niemals zu der dunklen Seite gehören würde. Doch dann, ein paar Sekunden später, fühlte ich mich dazugehörig. Oh ja, ich gehörte zu den Dunklen. Der
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