Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Girod
Vom Netzwerk:
ohne Sachbeweise überzeugen. Überdies muß dadurch dem möglichen Widerruf einer Aussage die beweishemmende Wirkung genommen werden.
    Zunächst analysiert Schmelling die Zeugenaussage des redseligen Knastbruders. Sie ist präzise und enthält bereits jede Menge Detailwissen über die mögliche Tat. Ihren Wahrheitsgehalt zweifelt er nicht an. Diese Aussage ist der Wegbereiter weiterer Vernehmungen.
    Nur: Die beim VPKA geführte Akte über die Todesursachenermittlung ist dürftig, unvollständig und voller Fragezeichen. Auch das darin enthaltene Sektionsgutachten kann den Nachweis einer Täterschaft nicht erbringen, es belegt lediglich den Strangulationstod, aber nicht dessen Ursache. Allerdings fügt es sich in den Tathergang ein, den Peter Huck seinem Zellengenossen ausplauderte.
    Hauptmann Schmelling und seine Mannschaft wenden in den nächsten Tagen viel Zeit für die Erarbeitung der Vernehmungspläne auf. Zunächst müssen alle Personen aus dem sozialen Milieu Peter Hucks gehört und die im Rahmen der Todesermittlungssache bereits erfolgten Vernehmungen wiederholt werden, ehe man sich den strafrechtlich bedeutsamen Fragen des Falls zuwendet. Am Ende des Verfahrens aber können die Untersucher zufrieden sein: Sie werden dem Staatsanwalt vier Täter servieren, auf die eine Mordanklage wartet. Jetzt aber stehen sie noch am Anfang der Wahrheitsfindung.
    Peter ist nur zwei Jahre jünger als sein Bruder Hans-Werner. Ein harmonisches Familienleben lernen die beiden nie kennen. Der Vater macht sich schon frühzeitig aus dem Staube. So muß die Mutter allein die Kinder versorgen und aufziehen. Doch sie ist damit völlig überfordert, arbeitet als Pförtnerin im Schichtdienst. Folgerichtig verläuft die Erziehung chaotisch und hilflos, wechselt zwischen Despotie und Laxheit. Der Alkohol tut sein übriges. Zwistigkeiten, Unausgeglichenheit und Gleichgültigkeit beherrschen das Familienklima. Die beiden Jungen sind sich viel selbst überlassen, hecken einen Blödsinn nach dem andern aus, prügeln sich und sind diebisch wie man das von Elstern behauptet. All das bildet den Nährboden für ihre soziale Gefährdung. Hans-Werner schafft wenigstens die Schule bis zum Abschluß der 8. Klasse und findet als Schleifer in einem Metallbetrieb Arbeit. Er stiehlt geschickter als sein Bruder Peter, der wiederholt auf frischer Tat ertappt wird. Erst sind Süßigkeiten, dann Zigaretten und Alkoholika, später allerlei technisches Gerät Objekte ihrer Begierden.
    Überhaupt ist Peter, der intellektuell auf ziemlich niedrigem Niveau steht, besonders anfällig für Fehlanpassung und soziale Störung: Bereits mit sechs Jahren ist er so schwierig, daß er eine Sonderschule besuchen muß. Er lernt nicht, schwänzt, stiehlt, kommt ins Kinderheim. Seine kriminelle Energie nimmt mit dem Älterwerden zu. Größere Diebstähle folgen. Die Behörden weisen ihn in einen Jugendwerkhof ein. Dort verbleibt er bis zur Volljährigkeit. Danach zieht er in die verwaiste Wohnung seines Bruders Hans-Werner, der hinter Gefängnismauern gerade über seine letzte Schandtat nachdenken soll. Diebstahl und Körperverletzung sind der Grund seines unfreiwilligen Aufenthaltes.
    Brüderliche Übereinstimmung herrscht in ihrer Affinität zu fremdem Eigentum, der Neigung zu Schlägereien und im Hang zu exzessiven Trinkgelagen. Jedoch ist Peter auf seinen größeren Bruder neidisch, weil der stärker, intelligenter und raffinierter ist. Manchmal schlägt er sich mit ihm, doch er zieht immer den kürzeren. Den Groll über die Niederlagen frißt er in sich hinein.
    1975 heiratet Peter die 22jährige Putzfrau Edith Wagner. Ihre Mitgift: Ein Kind und übermäßiger Alkoholkonsum. Sie beziehen in der Nähe von Hans-Walter eine Wohnung in der Karl-Marx-Allee. Bei einer Sauftour lernen die beiden ein gleichaltriges Pärchen kennen, das ganz in der Nähe am Nettelbeckufer wohnt. Er, Hansjörg Krüger, ein schlanker, blasser Typ mit schulterlangem Haar, Schnauzbart und beeindruckendem Vorstrafenregister. Sie, seine Lebensgefährtin Vera Hafenberg, eine Blondine, ebenso blaßgesichtig, mit ungepflegten Zähnen. Auf Anhieb verstehen sich die vier. Asozialität, kriminelle Biographie und Alkohol schweißen zusammen. Von nun an finden die feucht-fröhlichen Partys abwechselnd in den Wohnungen der Paare statt. Mit der Zeit gewinnen die bislang stupiden Trinkgelage durch lüsterne Spielchen und Partnerwechsel eine »qualitativ höhere Stufe«, und gelegentlich darf auch Hans-Werner an

Weitere Kostenlose Bücher