Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Girod
Vom Netzwerk:
disziplinarischen Konsequenzen.
    Während Peter Huck die Auflösung der Wohnung des Bruders übernimmt, erledigt seine Mutter die lästigen Bestattungsformalitäten. Der Leichnam Hans-Werners soll nun am 11. Juni 1979 auf dem Hauptfriedhof endgültig seine letzte Ruhe finden.
    Am 4. Juni 1979, eine Woche vor dem Begräbnis. Mit sich zufrieden sitzt Peter Huck in einer billigen Kneipe und gießt etliche Biere in sich hinein. Ziemlich alkoholisiert torkelt er sitten- und verkehrswidrig heimwärts. Ein Schutzmann ermahnt ihn. Peter Huck empfindet dies als Affront, drückt unsanft eine Faust in dessen Gesicht und droht, ihm das Nasenbein vollends zu zertrümmern. Doch der Arm des Gesetzes ist stärker: Peter Huck wird festgenommen. Die bislang zurückgehaltenen strafrechtlichen Vorwürfe fortlaufender Diebstähle werden nun laut und durch »Widerstand gegen staatliche Maßnahmen« ergänzt. Damit ist der Nachweis erbracht, gegen die Bewährungsauflagen verstoßen zu haben. Zudem liegen dringende Verdachtsgründe und Wiederholungsgefahr vor, die Voraussetzungen für einen sofortigen Haftantritt. Peter Huck muß hinter Gitter. Die Strafvollzugseinrichtung Regis bietet ihm für die nächsten Monate Arbeit, Kost und Logis.
    Er ist sich bewußt, durch staatliches Gebot unabkömmlich, nunmehr dem Begräbnis seines Bruders fernbleiben zu müssen. Trotzdem: In einem herzzerreißenden Brief bittet er die Gefängnisleitung, ihm zu gestatten, am 11. Juni 1979 dabeisein zu dürfen, wenn die sterblichen Überreste seines innig geliebten Bruders zu Grabe getragen werden. Sein Antrag wird an den Staatsanwalt weitergeleitet. Doch der hat kein Verständnis für die posthume Bruderliebe und lehnt das Ansinnen ab.
    Peter Huck gibt sich fortan seinem kärglichen Leben hinter Gefängnismauern hin. Doch er ist stinksauer, weil nämlich – während er aus dem sprichwörtlichen Blechnapf fressen muß – sein bester Kumpel nun ein Auto fahren kann, das eigentlich ihm gehört, und dessen Beschaffung dereinst ein hochkompliziertes, riskantes Unternehmen war. Der Ärger darüber ist so gewaltig, daß er seinen Rededrang schließlich nicht zurückhalten kann. Unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit vertraut er am 11. Oktober 1979 einem Zellengenossen an, wie er eigentlich in den Besitz des Autos kam, das ursprünglich seinem toten Bruder gehörte: Gemeinsam mit dem besten Kumpel, der Hansjörg Krüger heiße und gleich bei ihm um die Ecke am Nettelbeckufer wohne, habe er seinen Bruder umgebracht und erfolgreich einen Selbstmord vorgetäuscht. Absicht sei es gewesen, an das Auto zu gelangen, für das sein Bruder kurz zuvor einen Kaufvertrag abschloß und 14 000 Mark berappte. Dieses Auto stand zur Abholung bereit. Deshalb sei ein zweiter Vertrag fingiert worden, der belegen sollte, sein Bruder habe ihm das Auto weiterverkauft. Daraufhin hätte es der Verkäufer herausgegeben. Auf diese wundersame, wenn auch unredliche Weise habe er nicht nur ein großes Auto abgezweigt, sondern auch ein perfektes Verbrechen begangen. Respektvoll und staunend nimmt der Zellenkumpan die hochbrisante Mitteilung entgegen, stellt viele Fragen zu den Einzelheiten und gelobt ewiges Stillschweigen. Bereitwillig und gutgläubig plaudert Peter Huck drauflos. Seine Prahlsucht ist größer als die Vorsicht.
    Da Verschwiegenheit unter Knastbrüdern aber eine äußerst rare und flüchtige Tugend ist, wird das Gelöbnis bald durch Eigennutz verdrängt. Denn: Der geduldige, aufmerksame Zuhörer in Peter Hucks Zelle nimmt die nächste Gelegenheit wahr, sein Wissen beim Wachpersonal gegen ein paar Privilegien einzutauschen.
    Die Maschinerie polizeilicher Ermittlungen im Todesermittlungsfall Hans-Werner Huck setzt sich schnell wieder in Bewegung, nunmehr gesteuert von der Erfurter Mordkommission. Deren Chef ist Hauptmann Schmelling, ein besonnener, aufgeweckter Enddreißiger. Er ist sich gewiß, daß die Beweisführung einer Täterschaft nur auf der taktischen Verwendung von internem Täterwissen beruhen kann. Die Vernehmungen erhalten damit eine zentrale Bedeutung, denn Spuren und andere sachliche Beweise erwartet bei der verkorksten Sachlage niemand mehr. Bei jeder der bevorstehenden Befragungen oder Vernehmungen werden nun die Detailkenntnisse über Planung, Vorbereitung und Durchführung der Tat gesammelt, verglichen und bewertet. Die Synthese aller Informationen aus dem Täterwissen muß schließlich eine schlagkräftige Folgerichtigkeit besitzen. Sie muß das Gericht auch

Weitere Kostenlose Bücher