Blutspuren
den unsittlichen Vergnügungen teilhaben.
Dann muß Peter für zwei lange Jahre in den Knast. Betrug, Diebstahl und andere Unredlichkeiten werden ihm zur Last gelegt. Edelmütig tröstet Hans-Werner unterdessen seine Schwägerin Edith über den zeitweiligen Verlust des Gatten hinweg. Dankbar nimmt sie seine Dienste entgegen.
Ein Jahr später: Peter wird vorzeitig auf Bewährung aus dem ungastlichen Etablissement entlassen, erhält eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter im VEB Kühlmöbelwerk. Ihm entgeht nicht, daß Edith inzwischen mit dem Schwager angebändelt hat. Das verschnupft ihn. Er stellt sie zur Rede. Die Angetraute windet sich damit heraus, Hans-Werner habe mit Gewalt den Platz in ihrem Bett erobert. Dabei läßt er es bewenden, doch er hat eine Stinkwut auf seinen Bruder. Aber auch diese frißt er wie bisher in sich hinein.
Als bald darauf nunmehr Hans-Werner für mehrere Monate hinter schwedische Gardinen muß, triumphiert er insgeheim. Ein betrügerisches Geschäft war dumm gelaufen. Peter übernimmt die Zweitschlüssel der Wohnung seines großen Bruders, um dort gelegentlich nach dem Rechten zu sehen, und er verwahrt sie auch weiterhin, als Hans-Werner längst wieder in Freiheit ist.
Das Jahr 1978 und die ersten Monate des darauffolgenden Jahres verlaufen ohne nennenswerte Zwischenfälle. Die Brüder Huck scheinen mit sich und den Strafgesetzen Frieden geschlossen zu haben.
Doch der Schein trügt. Als Anfang des Jahres der Großvater stirbt und Hans-Werner einen Bargeldbetrag von 20000 Mark erbt, flammen plötzlich Groll und Mißgunst in Peters Seele wieder auf. Er wurde nämlich im Testament nicht bedacht. Vor einigen Jahren stahl er dem Großvater mehrere hundert Mark. Die Sache kam heraus und nun, so schließt er folgerichtig, hatte der Alte es ihm auf diese Weise heimgezahlt.
Hans-Werner will sich indes mit dem unerwarteten Geldfluß einen Traum erfüllen: Ein Auto soll es sein, ein möglichst großes. Er hat Glück: In Elxleben, ein Ort im Erfurter Landkreis, macht er einen Verkäufer ausfindig, der seinen alten »Wolga GAS 24«, eine Limousine sowjetischer Bauart, für 14000 Mark veräußern würde. Hans-Werner frohlockt und kündigt seinen raschen Besuch an.
Umgehend teilt er die freudige Kunde seinem Bruder Peter und dessen Freund Hansjörg Krüger mit. Die beiden bieten sich an, mit technischem Interesse und kritischem Blick dem Kaufprocedere beizuwohnen. Und Hans-Werner ist zufrieden, denn sechs Augen sehen mehr als zwei.
Am Wochenende darauf fährt das Trio mit dem Bus nach Elxleben und sucht den Verkäufer auf. Hans-Werner stellt ihm seinen Bruder und den Freund vor. Die Männer gehen hinters Haus. Dort steht das Objekt der Träume. Hans-Werner ist begeistert.
»Mensch, ist das eine Karre!« pflichten ihm seine Begleiter bei und beäugen das Gefährt mit kritischen Augen.
»Was macht’n der?« fragt Peter.
»140 Sachen«, meint der Verkäufer stolz.
»Und der Verbrauch?« ist die nächste Frage.
»12 bis 13 Liter«, antwortet der Eigentümer der Karosse. Und als die drei ziemlich verdutzt dreinblicken, ergänzt er: »Is ja auch ’ne Zweieinhalb-Liter-Maschine, knapp hundert PS!«
Achtungsvoll nicken die Männer mit den Köpfen.
Doch dem Fahrzeug fehlt die Starterbatterie. Also: Probefahrt nicht möglich. Aber Ehrenwort, der Wagen ist in Ordnung! Hans-Werner zögert nicht, denn bei der Situation auf dem Automarkt ist schnelles Handeln angesagt. Er unterschreibt den Kaufvertrag: »Spätestens Anfang März hole ich ihn ab!«
»Kein Problem«, meint der Verkäufer, erhält 14000 Mark, und das Geschäft ist paletti.
In den folgenden Tagen überlegt Hans-Werner, wie er in den Besitz einer Autobatterie kommen könnte.
Peter, sein Kumpel Hansjörg und dessen Lebensgefährtin Vera führen hingegen ihre gewohnten abendlichen Biergespräche. Dabei läßt Peter mit einem für die Zukunft höchst bedeutungsvollen Satz die ganze Wut über seinen Bruder heraus: »Der Schweinehund hat immer Glück, und ich glotze in die Röhre!«
Dieser Satz lenkt das folgende Gespräch plötzlich auf ein gefährliches Thema.
»Liegt doch an dir«, meint nämlich Hansjörg.
Peter versteht nicht.
Doch sein Kumpel erklärt: »Ganz einfach: Machst’n platt, ist die Karre deine!«
Einen Moment lang muß Peter seine grauen Zellen strapazieren, um zu begreifen, was Hansjörg damit meint. Dann kapiert er: Das heißt, Hans-Werner muß verschwinden, und zwar für immer. Erst dann wäre der Seelenfrieden
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