Blutspuren
Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen eines schweren chronischen Leidens wird er nach 16jähriger Haft vorzeitig entlassen. Er verstirbt im Jahre 1985 kurz vor Vollendung seines 55. Lebensjahres.
Der Fall Heinz Klausdorf gerät bald in Vergessenheit, versinkt im großen Sumpf der Verbrechensstatistik als einer unter vielen. Nur die Geschichte um das geheimnisvolle, unscheinbare Kreuz auf einer alten Landkarte, das auf unerklärliche Weise den Weg zum Versteck des Opfers verriet, geht in Kriminalistenkreisen immer wieder von Mund zu Mund. Immerhin verbindet sich damit einer der größten Zufälle in der Geschichte der Kriminalistik.
Im Jahre 1994 wird die Erinnerung an diesen Fall wiedererweckt: Inzwischen hat nämlich die Faszination, die von der kleinen Tintenmarkierung auf dem Meßtischblatt ausgeht, auch Fernsehjournalisten und Filmemacher in ihren Bann gezogen. Und so greift die RTL-Sendereihe »Spurlos« den Fall des Mörders Heinz Klausdorf auf und erzählt in dokumentarisch untersetzter Spielfilmform die Geschichte des geheimnisvollen Kreuzes auf dem Meßtischblatt.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Blutrausch
(Aktenzeichen 102 a BS 8.69 – BI 7.69 des Stadtgerichts von Groß-Berlin)
Leipzig, an einem frühen Morgen im Sommer 1970. Der Staatsanwalt steht in einem hell erleuchteten Kellerraum des grauen Seitengebäude der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kästner-Straße und spricht mit strenger Stimme zwei kurze Sätze zu einem Mann in trister Gefangenenkleidung: »Das Gnadengesuch ist abgelehnt. Die Hinrichtung steht unmittelbar bevor!«
Und während er sich schnell zurückzieht, tritt unbemerkt ein Uniformierter von hinten an den Delinquenten heran, in der Hand eine großkalibrige Pistole. Sekunden später fällt ein Schuß. Das Projektil zerschmettert den Hinterkopf des Angesprochenen, der auf der Stelle tot zusammenbricht. »Unerwarteter Nahschuß« heißt dieser Vorgang in der Amtssprache der Vollstreckungsordnung. Das im Namen des Volkes wegen dreifachen Mordes ausgesprochene Todesurteil gegen den 32jährigen Henry Stutzbach aus Berlin ist soeben vollstreckt worden.
Weitere Männer betreten den Raum, das Gefolge des Staatsanwalts. Ein Arzt untersucht den Toten. Protokolle werden ausgefüllt, die von den Anwesenden unterschrieben werden. Der Leichnam wird eingesargt und davongetragen. Nur wenige, bürokratisch exakt vorgeschriebene Minuten dauert das unheimliche Procedere einer Justifikation. Die Männer gehen und das Licht verlöscht. Dann herrscht wieder Ruhe im Kellerraum.
Nun kann ein für allemal die Akte über einen sensationellen Mord geschlossen werden, der wie eine höchst geheime politische Angelegenheit behandelt wird. Der Verdacht liegt nahe, daß der in der Tat kriminologisch herausragende Fall aus Gründen der Partei- und Staatsdisziplin eine besondere Verschwiegenheit verlangt, weil er die Idylle der sozialistischen Menschengemeinschaft gefährden und dem »westdeutschen Klassenfeind« unnötig weitere Munition im Kalten Krieg gegen die DDR liefern könnte. Und das, obwohl es ein ganz und gar unpolitischer Mordfall ist. Der herrschende Zeitgeist produziert eben eine solche absurde Sensibilität, und zwar auf beiden Seiten der Front.
In vier prall gefüllten Aktenordnern »Strafsache Henry Stutzbach« ist die ganze mörderische Geschichte konserviert. Doch erst jetzt, nach dreißig Jahren des großen Schweigens kann über den Fall berichtet werden.
Es ist ein naßkalter Freitag, der 14. Februar 1969. In den Mittagsstunden geht in der Einsatzzentrale des Berliner VP-Präsidiums ein Notruf ein. Eine Mieterin aus der Ehrenfelsstraße im Stadtgebiet von Karlshorst erbittet dringend polizeiliche Hilfe: Im gleichen Haus wohne nämlich eine Frau Karin Stutzbach, die wegen der bevorstehenden Scheidung von ihrem Ehemann getrennt lebt. Vor wenigen Minuten seien deren minderjährige Kinder völlig verstört bei ihr aufgetaucht. Grund: Der Vater, der unerwartet erschien, tobe in der Wohnung herum, zertrümmere Möbel und schlage wild um sich. Er habe die Mutter gewaltsam ins Wohnzimmer gezerrt, von innen abgeschlossen und auf sie brutal eingeschlagen. Sie schreie laut um Hilfe.
Der Mann in der Einsatzzentrale beordert eine uniformierte Funkstreife in die Ehrenfelsstraße, gibt den Polizisten allerdings mit auf den Weg, den vermutlichen Schläger nur zu beruhigen und sich ansonsten aus dem Ehestreit herauszuhalten. Die Gesetzeshüter kennen derlei
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