Blutstein
sich hin und starrte in die
Dunkelheit. Er musste an Markus Lukas denken, den Mann mit dem abgewandten
Gesicht.
Nach einer Weile schlief er ein.
Vier Stunden später weckte ihn die aufgehende Sonne. Er hob den Kopf
und blinzelte ins Licht. Sein Blick fiel auf die schwere Holzaxt neben seinem
Bett. Sofort war alles wieder da:
Sein Vater war ermordet worden, und seine Tochter war schwer krank.
Die Welt fühlte sich kalt und leer an.
Reglos blieb er im Bett liegen, konnte aber nicht wieder einschlafen.
Schließlich resignierte er und stand auf, um Frühstück zu machen. Er hatte das
Telefon im Auge, aber das blieb stumm.
Nach dem Frühstück nahm er dann selbst den Hörer in die Hand und
rief jene Institutionen an, die informiert werden mussten, wenn ein Angehöriger
verstorben war: ein Beerdigungsinstitut, Jerrys Bank und den Pfarrer der
Kirche, in der die Beerdigung stattfinden sollte.
Danach saß er zusammengesunken am Fenster und starrte hinaus,
wartete darauf, dass irgendetwas geschähe. Er musste sich mit etwas
beschäftigen, deshalb holte er die Fragebögen seiner Marktforschung hervor.
Aber er konnte jetzt niemanden anrufen, das war ihm zu viel –
deshalb entschied er sich zu schummeln. Er füllte selbst die Formulare aus,
eines nach dem anderen. Am Anfang war er langsam, und es fiel ihm schwer, aber
mit der Zeit ging es ihm überraschend leicht von der Hand, sich Menschen
vorzustellen, die diese besondere Seifenreklame gesehen hatten und nun erwogen,
das Produkt zu kaufen. Einige von ihnen, so zum Beispiel »Peter aus Karlstad«
und »Christina aus Uppsala«, waren sich ganz sicher, dass sie das tun würden.
Sie waren davon überzeugt, dass diese Seife ihrem Leben einen Sinn geben
könnte.
Wenn es Per nicht so schlecht ginge, würde er das bestimmt lustig
finden.
Sich selbst Antworten auszudenken ging vor allem viel schneller, als
reale Menschen anzurufen – in nur wenigen Stunden hatte er die Arbeit von drei
Tagen erledigt. Und die Angst vor Markus Lukas begann sich langsam in Luft
aufzulösen.
Nach seiner Fragebogenaktion betrat er Jerrys Schlafzimmer und sah
sich ein bisschen um. Sein Vater hatte dort nicht lange gewohnt, also auch nur
wenige Spuren hinterlassen, nicht einmal einen Geruch. Ein paar zerschlissene
Stoffhosen hingen über dem Stuhl, und auf dem Bett lag Jerrys Aktentasche, die
er offenbar nicht mit nach Kalmar genommen hatte.
Per hob sie hoch und öffnete sie. Er hoffte, er könnte darin etwas
Wichtiges entdecken, aber er fand nur Tabletten gegen Bluthochdruck und zwei
kleine Handtrainer, die Jerry nach dem Schlaganfall verschrieben bekommen
hatte, um die Muskeln in seinen Händen aktiv zu halten.
Und natürlich lag die alte Ausgabe von Bablyon in der Tasche.
Per setzte sich aufs Bett, schlug die Zeitschrift auf und betrachtete
die Fotoserien. Aber er hatte keine Augen für die Mädchen, sondern
konzentrierte sich auf den Mann, der in den Bildtexten als Markus Lukas geführt
wurde und dessen Gesicht nicht zu sehen war. Er war etwa dreißig Jahre alt. Da
der Erscheinungstermin dieser Zeitschrift zwölf Jahr zurücklag, musste Markus
Lukas heute etwas über vierzig sein.
Per starrte auf den Hinterkopf des Mannes und versuchte ihn sich am
Lenkrad eines roten Pkws vorzustellen. Hatte dieser Mann seinen Vater auf dem
Gewissen?
Plötzlich entdeckte er etwas, was er bis dahin nicht bemerkt hatte:
Auf einem der Fotos war ein ausgestreckter Arm zu sehen. Er zeigte auf das
nackte Paar im Bett und trug zwei Uhren am Handgelenk. Eine goldene und eine
aus rostfreiem Stahl.
Es war Jerrys Arm. Lange blieb Per versunken auf dem Bett sitzen und
betrachtete das Foto.
Das Telefon klingelte zweimal an diesem Montagabend. Der erste
Anrufer war ein Reporter einer Abendzeitung, der über Umwege von Jerrys Tod
erfahren und Per als dessen Sohn ausgemacht hatte. Er hatte gehört, dass Jerry
bei einem Autounfall »unter mysteriösen Umständen« ums Leben gekommen war, und
überfiel Per mit einer ganzen Reihe von Fragen. Aber Per wimmelte ihn ab.
»Rufen Sie die Polizei an«, sagte er.
»Haben Sie Pläne, das Pornoimperium zu übernehmen?«
»Es gibt kein Imperium!«, erwiderte Per und legte auf.
Der zweite Anruf kam von Marika.
»Wie geht es dir, Per?«
Die Frage klang nach aufrichtiger Anteilnahme.
Er seufzte. »Es ist, wie es ist.« Nach einer kurzen Pause fuhr er
fort. »Es tut mir furchtbar leid, dass ich in den letzten Tagen nicht so oft
bei Nilla war ... Das wird jetzt wieder
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