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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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nur als Antwort und schloss seine Augen.
    Er starb kurz nach neun an diesem Sonntagabend, mit einem kaum
hörbaren Seufzer auf den Lippen. Die pfeifenden und zischenden Atemgeräusche,
die Per sein Leben lang kannte, verstummten für immer. Und sein Körper hörte
auf zu kämpfen.
    Per saß neben Jerry und hielt die Hand seines Vaters, als er starb.
Und er blieb noch eine Weile sitzen, nachdem es ganz still im Zimmer geworden
war.
    Mehrere Minuten saß er da, jetzt elternlos, ohne Mutter und ohne
Vater. Er überlegte, ob er jemanden über Jerrys Tod unterrichten musste, ob es
jemanden gab, den er anrufen sollte – aber ihm fiel nicht eine einzige Person
ein.
    Schließlich verließ er das Zimmer, um einen Arzt zu holen.
    46
    P er
traf etwa eine Stunde nach Mitternacht an der Casa Mörner ein. Er hatte so
lange im Krankenhaus gewartet, bis der Leichnam seines Vaters auf eine Bahre
gehoben und dann von einem Pfleger weggebracht worden war.
    Die Nachtschwester hatte nach dem Tod von Jerry die Fenster in
seinem Zimmer weit aufgerissen, die Gardinen flatterten, und der Raum war bald
von frischer, kühler Abendluft erfüllt.
    Die Schwester wandte sich Per zu und lächelte ihn fast verlegen an.
    »Ich mache das immer!«, erklärte sie. »Ich lasse die Seele fliegen.«
    Per nickte. Er sah aus dem Fenster und meinte fast, Jerrys Geist
durch die Nacht fliegen zu sehen wie ein schimmernder Silberball. Würde er zu
Boden sinken oder zu den Sternen aufsteigen?
    Gegen halb eins hatte er Kalmar verlassen und war ohne große Eile
über die Ölandbrücke gefahren. Allerdings warf er auf der Küstenstraße nach
Norden immer wieder einen Blick in den Rückspiegel. Zweimal näherten sich in
hoher Geschwindigkeit die Scheinwerfer eines Autos, und Per hielt das Lenkrad
fest umklammert, aber beide Wagen überholten ihn.
    Am Steinbruch war es pechschwarz – nur vereinzelt leuchteten Lampen
an den Eingangstüren der Häuser. Per fuhr zu seinem kleinen Häuschen, stieg aus
und lauschte in die Dunkelheit. Alles war still. Nur ein leises Rauschen in den
Baumwipfeln, mehr war nicht zu hören.
    Doch dann klingelte plötzlich das Telefon in der Küche.
    Langsam näherte sich Per dem Haus. Das Klingeln hielt an.
    Markus Lukas ,
dachte er. Du sitzt irgendwo
in deinem Versteck und fragst dich, ob es dir gelungen ist, meinen Vater
umzubringen.
    Er schloss die Tür auf, ging in die Küche und starrte auf das
Telefon, ehe er den Hörer abnahm.
    »Hallo?«
    Niemand antwortete. Er hörte nur eine Art Echo. Einen rhythmischen
Ruf im Hintergrund.
    Und das Geräusch kam vom Band, Per erkannte es wieder. An
Gründonnerstag hatte jemand angerufen und exakt dasselbe Band laufen lassen,
allerdings mitten am Tag.
    Und dann begriff er, was er da hörte. Es war die Stimme einer jungen
Frau, eine Tonspur aus einem von Jerrys Filmen.
    Per umklammerte den Hörer.
    »Sprechen Sie mit mir!«, forderte er. »Warum tun Sie das?«
    Keine Antwort – das Band lief weiter. Er schloss die Augen.
    »Sie müssen das nicht mehr laufen lassen ... Jerry ist tot – Sie haben
ihn umgebracht.«
    Er drückte den Hörer noch fester ans Ohr, aber auch dieses Mal
erhielt er keine Antwort. Die Tonspur lief noch einen Augenblick weiter, dann
hörte er ein Klicken. Die Verbindung war unterbrochen worden.
    Er legte auf und musterte sein blasses Spiegelbild im Küchenfenster.
Wie war diese Botschaft zu verstehen? Gedachte Markus Lukas weiterzumachen?
Genügte es nicht, Jerry für seine Taten zu jagen und zu töten, wollte er die
ganze Familie Mörner zerstören? Würden die Kinder und Enkelkinder für die alten
Sünden des Vaters und Großvaters büßen müssen?
    Er trat hinaus in die Nacht und ging zu Ernsts Werkstatt.
    Die Trollfamilie starrte ihn von den Regalen an den Wänden an, als
er begann, Werkzeuge auszuwählen, um sie ins Haus zu tragen.
    Vorschlaghammer, Sägen, Stemmeisen und Holzhammer – alle
hervorragend als Waffen geeignet. Im Licht der Glühbirne sah Per zwar, dass
einige der Werkzeuge abgenutzt und stumpf waren, aber sie waren massiv und
schwer. An der Wand fand er auch eine große Holzaxt, die lebensgefährlich
aussah. Er hob sie an.
    Du willst Rache?
Dann komm doch her , dachte er. Komm her, und du wirst ja sehen, ob ich bereit bin,
mich für die Taten meines Vaters zu opfern ...
    Er schleppte alle Gegenstände ins Haus, schloss sorgfältig hinter
sich ab und verteilte die Waffen in den Räumen. Die Axt platzierte er neben
seinem Bett. Dann löschte er das Licht, legte

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