Blutstein
Müdigkeit
hatte ihn erfasst, aber ihm stand noch eine letzte wichtige Begegnung an diesem
Abend bevor. Er trug Jerrys Aktentasche, sein Vater folgte ihm bedächtig.
»Hallo?«, rief Per, als sie in den Flur kamen. »Jesper?«
Die Tür zum Zimmer seines Sohnes stand offen. Jesper saß im Bett und
war mit seinem Gameboy beschäftigt.
»Ja?«
»Mach mal den Gameboy jetzt aus. Komm zu uns und begrüße deinen
Großvater.«
Per schnüffelte an seiner Jacke, war der Rauchgeruch verflogen?
Jesper schien nichts zu bemerken. Er stand gemächlich auf und kam
hinaus in den Flur. Per hatte Verständnis für sein Zögern, schließlich hatte
Jerry seine Enkelkinder fast zehn Jahre lang nicht gesehen. Er hatte nie den
Wunsch geäußert, sie zu sehen, und Per hatte keinerlei Anstrengung unternommen,
ein Treffen zu arrangieren.
»Tag, Opa«, sagte Jesper leise und streckte ihm die Hand entgegen.
Jerry zögerte einen Augenblick, dann ergriff er sie.
»Jesper«, flüsterte er.
Dann ließ er die Hand seines Enkelsohnes los.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Per ihn.
Jerry nickte, und Per ging in die Küche, um ihm ein Glas Milch
einzugießen.
Nachdem er Jerry in einen Sessel vor dem Fernseher platziert hatte,
ging er vor die Tür, um eine letzte Portion Frischluft zu tanken.
Er ging an den Rand vom Steinbruch.
Ein Halbmond schien über dem Sund und hüllte den Steinbruch in
Schatten. Trotzdem konnte Per erkennen, dass die Treppe, mit deren Errichtung
Jesper und er begonnen hatten, beschädigt aussah. Die oberen Steinblöcke waren
weggebrochen.
Er ging zurück ins Haus, holte eine Taschenlampe und leuchtete damit
die Felskante hinab.
Doch, er hatte richtig gesehen – die breiten Steinblöcke waren
zertrümmert. Ein paar waren beim Sturz auf andere gefallen und hatten diese
dabei zerschlagen.
Gestern hatte die Treppe noch so stabil gewirkt. Wer hatte sie
zerstört?
18
L iebe Leserinnen und Leser,
in diesem
Handbuch werde ich zum einen von meinen Begegnungen mit den Elfen erzählen, zum
anderen Hilfestellungen geben, wie Sie mit ihnen in Kontakt treten können. Das
ist nämlich leichter, als viele denken. Die Elfen bewegen sich entlang uralter,
meist kerzengerader Pfade, die durch die Landschaft führen. Von diesen Pfaden
besitzen viele der älteren Inselbewohner noch Kenntnis. Man muss also nur bei
den Nachbarn anklopfen und danach fragen!
Vendela hatten den Montag in Borgholm verbracht und Lebensmittel
besorgt. Jetzt war alles so weit für das Fest am Mittwoch vorbereitet, und sie
gönnte sich eine kleine Pause, um das Vorwort für ihr Buch zu schreiben.
Max war in Kalmar, um einen Vortrag zu halten. Vendela saß mit
angezogenen Beinen in einem Sessel im Wohnzimmer. Und endlich hatte sie einen
Titel für ihr Buchprojekt gefunden – Meine Begegnungen mit den Elfen .
Sie hatte so viel zu erzählen, nicht nur aus ihrer Kindheit. Mit
Anfang dreißig war sie nach Island geflogen, wo der Glaube an Elfen noch sehr
lebendig war. Sie hatte ältere Einheimische kennengelernt, die Elfen gesehen
hatten, und war mit einer Gruppe Touristen auf den Snæfellsjökull gewandert,
einen Gletscher nördlich von Reykjavík, wo sich die Elfen offenbar ab und zu
zeigten. Einen ganzen Abend lang hatte sie bei Eiseskälte in einer Grotte auf
sie gewartet, aber keine zu Gesicht bekommen.
Man muss keine
Angst vor ihnen haben, schrieb sie weiter. Sie sind nicht böse. Sie wollen sich uns nicht immer
zeigen, aber sie wollen uns nichts Schlechtes. Wenn wir sie respektieren und
ihren Lebensraum nicht zerstören, dann tun sie uns nichts. Im Gegenteil, manchmal
helfen sie uns, verschwundene Gegenstände wiederzufinden – oder sogar zu uns
selbst zu finden.
Vor etwa fünf Jahren war sie im Sökaren , der Zeitschrift für Lebensfragen ,auf eine Anzeige
gestoßen, in der ein Kurs auf der Insel Gotland angeboten wurde, in dem man die
Kommunikation mit den Elfen erlernen konnte. Heimlich hatte Vendela den Kurs
gebucht und an einem sonnigen Freitag im Mai den Flieger nach Visby bestiegen.
Max gegenüber hatte sie erzählt, sie führe zu einem Töpferkurs.
Der Elfenführer war Anfang dreißig und trug seine langen braunen
Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er hieß Adam Luft und besaß
einen kleinen Bauernhof südwestlich von Visby in einer flachen, aber
waldreichen Gegend, in der sich viele Elfenpfade trafen. Adam mähte das Gras
auf seinem Grundstück nicht, damit die Natur so unberührt wie möglich blieb.
»Die Pfade führen
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