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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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dann erneut.
    »Ich verstehe.«
    Gerlof begriff, dass der Gast in seinem Garten in mehrerer Hinsicht
verirrt war, und stellte vorerst keine weiteren Fragen. Eine friedliche Stille
senkte sich über die beiden Männer, Jerry schien sich wohlzufühlen.
    »Womit beschäftigen Sie sich? Arbeiten Sie noch?«, fragte Gerlof
dann doch.
    Da er keine Antwort bekam, fuhr er fort:
    »Ich bin Rentner, ich habe meinen Teil beigetragen.«
    »Jerry und Bremer«, sagte Jerry jetzt.
    Gerlof verstand nicht, was das bedeuten sollte, aber Jerry lächelte
zufrieden und zündete sich die Zigarette mit einem Feuerzeug an, das die
amerikanische Flagge trug.
    »Jerry und Bremer?«, wiederholte Gerlof.
    Der Mann hustete, statt zu antworten.
    »Pelle«, sagte er und richtete sich auf.
    »Pelle?«
    Jerry nickte.
    »Aha«, sagte Gerlof.
    Sie schwiegen.
    »Jerry!«
    Ein junger Mann stand am Gartentor und rief. Es war einer der neuen
Hausbesitzer am Steinbruch.
    War das Jerrys Sohn? Er öffnete das Tor und kam näher.
    »Jerry ... ich habe dich überall gesucht.«
    Jerry blieb wie versteinert sitzen, als kenne er den Mann nicht, der
seinen Namen gerufen hatte. Dann schüttelte er sich kurz.
    »Pelle«, wiederholte er.
    »Du musst mir doch sagen, wo du hingehst, Jerry«, beklagte sich der
Jüngere.
    »Bremer«, sagte Jerry und stand auf. Er wirkte nervös. »Bremer und
Markus Lukas ...«
    Er hatte sich auf den Weg zurück zum Gartentor gemacht. Der jüngere
Mann zögerte noch und nickte Gerlof zu. Da fiel Gerlof auf, dass er ihn von
früher kannte.
    »Sind Sie nicht ein Verwandter von Ernst Adolfsson?«, fragte er.
»Per ...?«
    »Per Mörner.«
    »Ja, genau, jetzt erinnere ich mich!«, rief Gerlof. »Sie haben als
kleiner Junge viel Zeit bei Ernst verbracht, nicht wahr?«
    »Ja, zusammen mit meiner Mutter«, erklärte der Mann. »Wir waren
relativ häufig bei ihm. Waren Sie Freunde?«
    »Ja, das kann man wohl sagen. Ich heiße Gerlof Davidsson«, stellte
er sich vor. »Und das ist Ihr Vater?«
    »Jerry? Ja, das ist er.«
    »Er redet nicht so viel, was?«
    »Nein, er leidet an einer Art Dysphasie. Er hatte letztes Jahr einen
Schlaganfall.«
    »Ach so. Und warum trägt er zwei Uhren am Handgelenk?«
    »Tja, woher soll ich das wissen!«, erwiderte Per und senkte den
Blick. »Die eine zeigt die amerikanische Zeit an ... Jerry hatte immer schon ein
Faible für die USA .«
    »Wer sind denn Bremer und Markus Lukas?«
    »Hat er die erwähnt?« Per sah seinem Vater hinterher und antwortete:
»Hans Bremer war sein Kompagnon. Und Markus Lukas, das weiß ich gar nicht so
genau ...« Er verstummte. »Ich muss ihn jetzt mal nach Hause bringen.«
    Er machte sich auf den Weg, hielt aber an, als er Gerlofs Frage
hörte:
    »Werden Sie hier wohnen bleiben?«
    Per nickte.
    »Ich auf jeden Fall ... zusammen mit meinen Kindern. Ich habe letztes
Jahr das Haus von Ernst geerbt.«
    »Schön. Da geben Sie gut darauf acht.«
    Per nickte erneut. Er reichte Gerlof eine Visitenkarte aus seinem
Portemonnaie.
    »Ich bringe ihn jetzt mal besser nach Hause ... hier sind meine
Nummern drauf, falls er noch einmal bei Ihnen auftauchen sollte.«
    Dann ging er zu seinem Vater, der am Gartentor stehen geblieben war.
    »Komm, Jerry, wir müssen los.«
    Gerlof sah sie durch das Tor gehen und hinter der Steinmauer
verschwinden, Vater und Sohn, die vermutlich nicht viel miteinander anfangen
konnten.
    Es war schon komisch mit den Menschen und ihren Kindern. Sie standen
einander so nahe, und doch waren die Beziehungen oft voller Spannungen.
    Der ältere Herr hatte Gerlof an die etwas senilen Mitbewohner im
Altersheim erinnert, mit denen es unmöglich war, beim Kaffee ein vernünftiges
Gespräch zu führen. So wie mit Betrunkenen.
    Sie verbrachten die meiste Zeit in ihrer eigenen Welt und hatten nur
kurze Gastspiele in der Wirklichkeit. Aber dennoch kamen ab und zu ganz
unerwartete Dinge und Informationen aus ihnen heraus. Gedanken, Geschichten und
manchmal auch schamlose Geständnisse.
    Zwei teure Uhren am Arm ...
    Er fragte sich, womit Jerry Morner wohl sein Geld verdient hatte.
    20
    A ls
kleiner Junge hatte Per es geliebt, den Sonnenuntergang im Kalmarsund zu
beobachten. An diesem Dienstagabend stellte er sich ans Fenster und wartete. Er
hatte Jerry vor dem Fernseher platziert und wollte nachher Nilla anrufen, um
mit ihr eine Uhrzeit abzusprechen, wann er sie abholen sollte. Aber jetzt
wollte er erst einmal den Sonnenuntergang genießen.
    Es war kurz nach acht Uhr. Die Sonne hatte schon

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