Blutstein
oft zwischen Haselnuss- und Wacholdersträuchern
hindurch«, erklärte er. »Dort befinden sich die Pforten, die in ihre Welt
führen.«
Adam saß im Schneidersitz da und konnte stundenlang über Elfen
erzählen. Vor allem interessierte er sich für ihr Privatleben, was in seiner
Vorstellung unabhängig und frei von Vorurteilen war. Vendela war sich da nicht
ganz so sicher, und wenn er zwischendurch über Sex zwischen Elfen und Menschen
sprach, hatte sie den Eindruck, dass es sich dabei eher um Adams
Wunschvorstellungen handelte. Verließ er dieses Thema aber, sagte er viele
kluge Sachen. So zum Beispiel:
»Es ist wichtig, in neuen Dimensionen und Bahnen zu denken. Als die
Europäer im Mittelalter das erste Mal auf weiße Baumwollbäusche stießen, hatten
sie keine Ahnung, was sie da vor sich hatten oder wo es herkam. Sie vermuteten,
dass die Bäusche von fliegenden Lämmern und Schafen stammten, die sich in den
Bäumen ein Nest bauten.«
Adam machte eine Pause, damit die Kursteilnehmer sich ausschütten
konnten vor Lachen.
»Wenn also die Wissenschaftler von heute Leute treffen, die
behaupten, dass sie Elfen begegnet sind«, fuhr er mit erhobenen Händen fort,
»was sollen sie da glauben? Wie sollen sie das deuten? Wissenschaftler stehen,
wie viele andere auch, dem Unerklärlichen hilflos gegenüber.«
Vendela sah von ihrem Notizheft auf. Sie meinte, das Geräusch eines
Autos gehört zu haben – das Zeichen dafür, dass Max zurückgekehrt war –, aber
sie hatte sich geirrt. Also fuhr sie mit ihren Aufzeichnungen fort:
Die Menschen
aller Jahrhunderte hatten Begegnungen mit Elfen. Auf Island gilt ihre Existenz
als so selbstverständlich, dass beim Bau von Straßen auf ihre Lebensräume
Rücksicht genommen wird. Auch in England gibt es viele, die engen Kontakt mit
Elfen hatten. Eine von ihnen ist das junge Mädchen Annie Jeffries aus Cornwall,
die Mitte des 17. Jahrhunderts lebte. Sie ging häufig hinaus in die Natur, um
den Elfen Lieder vorzusingen. Eines Tages wurde sie von ihnen entführt, und als
sie nach einigen Tagen in die Welt der Menschen zurückkehrte, besaß sie die
Fähigkeiten, Kranke zu heilen und in die Zukunft zu sehen.
Das hatte ihr Adam erzählt. Für Vendela war der Wochenendkurs mit
ihm ein phantastisches Erlebnis gewesen.Die kleine Gruppe der Kursteilnehmer
hatte gemeinsame Wanderungen in die Frühlingslandschaft unternommen, sich an besonderen
Orten niedergelassen und für die Elfen bei Sonnenuntergang Lieder gesungen.
Nach einer Weile begannen einige der Teilnehmer, Elfen zu sehen. Die Jüngste
unter ihnen, eine Zwanzigjährige aus Stockholm, die nach eigenem Bekunden auch
oft als Medium arbeitete, sah die Elfen so oft und so deutlich, dass sie sie
bald voneinander unterscheiden konnte und ihnen wunderschöne Namen gab, wie
Galadriel und Dunsany.
Vendela war ein bisschen neidisch, weil sie selbst keine Elfe zu
Gesicht bekam, aber der Kurs war dennoch ein großartiges Erlebnis für sie. Die
Landschaft auf Gotland wirkte so zeitlos und ruhig wie auf Island. Sie war nach
Hause geflogen mit dem bestärkten Glauben an Elfen und der starken Sehnsucht,
ihnen auf der Insel ihrer Kindheit, auf Öland, zu begegnen.
Und jetzt saß sie in ihrem großen Haus und schrieb an ihrem ersten
Buch. Sie fuhr fort:
Ich hatte das
große Glück, auf Öland aufzuwachsen, einer Insel, auf der sich Elfen seit jeher
gerne aufhalten. Wahrscheinlich zieht sie die Landschaft der Alvar an, die aus
vielen Wäldchen mit Wacholdersträuchern besteht.
Elfen lieben
Wacholder, und in der Gegend, aus der ich stamme, gibt es sehr viel davon,
deshalb ist sie auch sehr beliebt bei den Elfen.
Vendela wusste, dass sie den Elfenstein in der Alvar noch einmal
besuchen musste. Sie war beinahe gezwungen dazu, würde aber Max nichts davon
sagen. In den vergangenen zehn Jahren hatte sie in seiner Gegenwart nur ein
einziges Mal vom Reich der Elfen gesprochen. Da hatte er laut gelacht und gefragt,
ob sie schon Charterreisen dorthin anbieten würden.
Sie nahm ihren Stift und arbeitete weiter:
Wenn wir nun aber
wissen, wo sich die Elfen regelmäßig aufhalten, warum sehen wir sie dann nicht
häufiger? Die Antwort ist ganz einfach: Die Elfen halten sich nicht in unserer
Welt auf, sondern in ihrer eigenen. Und die Pforten zwischen diesen beiden
Welten sind nur in bestimmten Augenblicken geöffnet. Ob die Elfen selbst diese
»Dimensionspforten« öffnen können oder die Öffnung nur für sich nutzen, wissen
wir nicht. Aber was wir
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