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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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der
Wacholdersträucher, als würde sich jemand mit federleichten Schritten bewegen.
Vorsichtig erhob sie sich, konnte aber niemanden entdecken.
    Dennoch spürte sie, dass jemand sie durchs Gestrüpp hindurch
beobachtete.
    Ihr Trainingsanzug war feucht, sie zitterte. Ihre ganze Energie war
erloschen, eine plötzliche Unruhe hatte sie verjagt. Sie wollte zu den
Sträuchern gehen, den Kopf hindurchstecken und fragen, ob da jemand sei. Aber
sie blieb wie angewurzelt neben dem Felsblock stehen.
    Sie schleichen
sich an mich heran , dachte sie ängstlich. Die Elfen ... oder die Trolle?
    Sie traute sich nicht nachzusehen, ihre Beine zogen sie in die
andere Richtung. Sie schoben sie hinter den Felsblock, der nun zwischen ihr und
dem leisen Rascheln stand.
    Da verstummte auch dieses Geräusch. Es hatte aufgehört zu rascheln.
    Der Wind wehte wieder, und Vendela atmete erleichtert aus. Sie
fühlte sich steif und verfroren, aber etwas musste sie noch erledigen. Sie grub
in ihrer Jackentasche und legte eine Münze, ein blitzendes neues
Zehnkronenstück, in eine der leeren Vertiefungen im Stein.
    Es war ein Risiko, sich an diesem Ort etwas zu wünschen – niemand
wusste das besser als sie. Aber sie benötigte Hilfe.
    Sie würde nur um eine einzige Sache bitten.
    Bitte lasst
Aloysius nicht erblinden , bat sie. Gebt ihm noch ein paar gesunde, unbeschwerte Jahre ...
das ist das Einzige, worum ich euch bitten möchte.
    Sie ließ die Münze in die Kuhle fallen und entfernte sich von dem
Stein.
    Als sie die kleine Lichtung zwischen den Wacholdersträuchern
verließ, spürte sie, wie die Zeit sich wieder zu bewegen begann. Die Zeiger
ihrer Uhr liefen, es war Abend geworden. Die Sonne stand im Westen und hatte
ihre goldene Leuchtkraft verloren, bald würde sie hinter dem Horizont
versinken. Ihr Licht spiegelte sich in den Frühlingsseen um sie herum.
    17
    P elle?«,
     fragte Jerry verschlafen. »Pelle?«
    Nachdem sie im Polizeipräsidium von Växjö verhört worden waren und
sich wieder auf den Weg gemacht hatten, war Jerry auf dem Beifahrersitz
eingeschlafen. Er war in einen tiefen Schlaf gesunken und hatte unverständliche
Worte gemurmelt. Erst als sie in dem menschenleeren Kalmar ankamen, wachte er
wieder auf. Per hatte gerade den Wagen neben der Einfahrt zum Krankenhaus geparkt.
    »Pelle?«
    »Es ist alles in Ordnung, Jerry. Wir sind jetzt in Kalmar.«
    Er öffnete die Fahrertür. Kühle Abendluft drang in den Wagen und
belebte seine Lunge. Er musste husten. Dann drehte er sich zu seinem Vater.
    »Du bleibst hier sitzen ... ich will nur kurz hoch zu Nilla. Erinnerst
du dich an meine Tochter, Jerry?«
    Als er bemerkte, wie Jerry auf das Krankenhausschild starrte, fuhr
er fort:
    »Die müssen sie untersuchen. Ich komme gleich wieder.«
    Es war halb elf, und alle Fenster des Krankenhauses leuchteten in
den Nachthimmel. Pers Beine waren ganz steif, als er aus dem Wagen kletterte.
Er war heute stundenlang gefahren. Die Eingangstür war noch nicht abgeschlossen
und glitt leise auf. Er nahm den Aufzug in Nillas Abteilung, ohne einem einzigen
Menschen zu begegnen.
    Auch der Gang war menschenleer, und die Tür zur Abteilung war
verschlossen. Er klingelte und wurde von der Nachtschwester eingelassen. Sie
lächelte ihn nicht an, aber wahrscheinlich lag das an ihrer Müdigkeit. Es
musste nicht bedeuten, dass es Nilla schlechter ging.
    Ihre Zimmertür stand einen Spalt offen, und er hörte zwei Stimmen,
die sich unterhielten. Nilla sprach mit ihrer Mutter.
    Per hustete noch einmal. Er hatte gehofft, dass Marika nicht mehr da
sein würde. Natürlich wusste er, dass seine Exfrau ihre Tochter jeden Abend
besuchte, aber er hatte gehofft, dass sie so spät am Abend schon gegangen wäre.
Eine Sekunde lang zögerte er, ob er einfach umdrehen sollte, aber dann schob er
die Tür auf und trat ein.
    Nilla saß im Bett, sie hatte sich ein Kissen in den Rücken gestopft.
In dem Arm, der aus ihrem weißen Krankenhausnachthemd ragte, steckte eine
Infusionsnadel. Sie sah unverändert aus, vielleicht ein bisschen blasser.
    Marika saß neben ihr auf einem Stuhl. Der Fernseher, der in der Ecke
oben unter der Decke hing, war eingeschaltet. Ein Mann und eine Frau standen in
einer Küche, schrien sich an und wedelten mit den Armen, aber der Ton war
ausgestellt.
    »Halli, hallo«, sagte Per und lächelte Mutter und Tochter an.
    Das Gespräch verstummte augenblicklich. Marika schien gerade einen
Witz gemacht zu haben, denn sie lachte Nilla an – als sie aber Per

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