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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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viel früher am
Abend nicht mehr gewärmt, aber sie blendete noch, so tief über der Wasserlinie
hängend, ein scharfes, gelbes Licht. Erst als sie schon zur Hälfte hinterm
Horizont verschwunden war, verlor sie auch ihre Leuchtkraft und färbte die
versprengten Wolken über dem Festland dunkelrot wie Blutspuren.
    Und mit einem Mal war sie weg. Der Himmel im Westen leuchtete zwar
noch, als würde darunter ein großes Feuer lodern, aber die Dunkelheit senkte
sich mit großer Geschwindigkeit über den Strand und den Steinbruch.
    Per lehnte sich gegen das Fenster und betrachtete die Welt der
Schatten dort unten. Er musste an die zertrümmerte Treppe denken. Vielleicht
war es nur eine Einbildung – aber er meinte Schatten zu sehen, die sich
zwischen den Haufen aus Bruchstein hin und her schlichen.
    Seit dem Verhör im Polizeipräsidium hatten die Beamten nichts mehr
von sich hören lassen, und Per hatte auch nicht in Växjö angerufen.
    Mittwochmorgen fuhr er nach Kalmar, um Nilla abzuholen. In der
Cafeteria des Krankenhauses lag eine Abendzeitung vom Vortag. Hastig blätterte
er sie durch und fand eine kurze Meldung:
    Mann nach Hausbrand vermisst
    Seit einem zerstörerischen Brand am Sonntagabend in einem Anwesen im
Wald außerhalb von Ryd, sechzig Kilometer südlich von Växjö, wird ein Mann
vermisst.
    Als die Feuerwehr und die Polizei gegen achtzehn Uhr zum Tatort
gerufen wurden, stand das gesamte Haus in Flammen. Die Feuerwehr war darum
bemüht, den Brand einzudämmen. Die Löscharbeiten dauerten bis Mitternacht an.
    Das Anwesen wurde durch das Feuer total zerstört, und bei
Redaktionsschluss war noch nicht geklärt, ob jemand in den Flammen ums Leben
kam. Dem Besitzer des Grundstücks gelang es, dem Feuer zu entkommen, er wurde
von der Polizei verhört, konnte aber keine Angaben zur Ursache des Brandes machen.
    Ein Zeuge hat angegeben, dass mindestens noch eine Person in dem
brennenden Haus war. Ein Angestellter des Besitzers, der das Haus als Wohnort
und als Büro genutzt hat, wird vermisst. Die Polizei befürchtet, dass er in den
Flammen umgekommen sein könnte.
    So bald es möglich ist, werden die Kriminaltechniker das Gebäude
     untersuchen, um mögliche Opfer und die Ursache des Brandes zu ermitteln.
    Per faltete die Zeitung wieder zusammen. Der »Besitzer des
Grundstücks« war sein Vater, und der »vermisste Angestellte des Besitzers« war
Hans Bremer. Er selbst war zum Glück auch anonym geblieben und wurde nur als
»Zeuge« genannt, was ihn sehr beruhigte. Wenn die Journalisten herausbekämen,
dass Jerry Morner der Besitzer war, würden sie wahrscheinlich ganz andere Dinge
schreiben.
    Noch gab es keine Fakten, aber die würden kommen.
    Er ging zum Aufzug.
    Nilla hatte sich Jeans und Pullover angezogen und wartete im
Aufenthaltsraum der Abteilung. Sie hatte ihre Haare gebürstet und lächelte ihm
entgegen. Sie sah noch dünner aus als vorgestern. Ihre Schultern waren so
schmal und fühlten sich ganz knochig an, als er sie umarmte.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie nickte.
    »Sie haben gesagt, dass sie mit den Untersuchungen fertig sind. Mama
war heute früh beim Arzt und hat mit ihm gesprochen.«
    »Gut, dann werde ich sie anrufen ... Wollen wir losfahren nach Öland?
Jesper wartet schon auf dich, und Jerry ist auch da.«
    »Jerry?«
    »Genau ... dein Opa.«
    Nilla runzelte die Stirn.
    »Warum?«
    »Er wird über Ostern bei uns bleiben.«
    Nilla nickte, ohne weitere Fragen zu stellen.
    »Ich muss den hier mitnehmen«, sagte sie. »Haben wir genug Platz
dafür?«
    Sie deutete auf einen zusammengeklappten Rollstuhl, der im Flur
stand.
    Der Anblick des Rollstuhls jagte Per einen kalten Schauer über den
Rücken – warum benötigte Nilla den denn? Er wollte sich erkundigen, aber es war
weit und breit kein Arzt zu sehen.
    »Klar doch«, antwortete er. »Der passt prima in den Kofferraum.«
    Eine knappe Stunde später hatten sie das Haus am Steinbruch
erreicht.
    »Erinnerst du dich an das Sommerhaus?«, fragte Per, als sie auf die
Auffahrt einbogen.
    Nilla nickte.
    »Du wolltest es letzten Sommer streichen ... hast du es gemacht?«
    »Das habe ich nicht geschafft.«
    »Und du wolltest auch irgendetwas bauen?«
    »Ja, mache ich, wenn ich Zeit dafür finde«, wiegelte Per ab. »Wir
haben auch vor, eine Steintreppe zu bauen. Aber heute Abend gehen wir erst
einmal auf ein Fest.«
    »Was für ein Fest denn?«, fragte Nilla.
    »Ein Nachbarschaftsfest.«
    Per stieg schnell aus dem Wagen, um weiteren Fragen zu

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