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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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mindestens fünfzig
Jahre alt. Begleitet wurde er von John Hagman, der in einem schwarzen Anzug mit
braunen Lederflicken an den Ellenbogen kam.
    Max schob den Rollstuhl über den kleinen Weg aus Steinplatten, doch
als Vendela die Eingangstür öffnete, erhob sich Gerlof und betrat mit
kerzengeradem Rücken das Haus. Im Stehen war er beinahe einen Kopf größer als
Max, stellte Vendela überrascht fest.
    »Ja, ich kann auch gehen, ab und zu«, sagte Gerlof zur Begrüßung.
Dann überreichte er Vendela ein kleines Paket. »Für Sie, ich habe es heute früh
eigenhändig hergestellt.«
    »Oh, vielen Dank.«
    Vendela öffnete das Paket, aus dem ihr ein scharfer Teergeruch
entgegenschlug. Das Geschenk bestand aus einem Stück Tau, das raffiniert zu
einem kleinen Untersetzer geknüpft war.
    »Das ist ein Walknoten«, erläuterte Gerlof. »Der soll Glück und
Freude bringen.«
    Vendela wurde von dem Teergeruch ein bisschen schwindelig, so als
hätte sie zu starke Tabletten genommen – aber sie lächelte Gerlof freundlich
dankend an.
    Auch die anderen Nachbarn waren sehr pünktlich. Das junge, schöne
Paar Kurdin kam als Erstes, eine Minute nach sieben, das Baby schlief im
Kinderwagen. Christer Kurdin bedankte sich lächelnd für die Einladung und lobte
das schöne Haus – er schien umgänglicher zu sein als seine große und eiskalte
Frau, die ein dunkelgraues Leinenkostüm trug. Marie Kurdin nickte der
Gastgeberin nur kurz zu und stolzierte dann erhobenen Hauptes auf die Veranda.
    Familie Mörner kam fünf Minuten später; der Vater Per und seine
Teenagerzwillinge. Das Mädchen Nilla hatte sich bei ihrem Bruder eingehakt. Sie
war sehr mager und blass und machte nur kleine Schritte. Vendela lächelte sie
an, war aber dennoch besorgt. War sie vielleicht magersüchtig?
    Als Per Mörner dem Gastgeber die Hand reichte, sah Vendela, wie ihr
Mann erstarrte. Die Männer hatten sich seit dem Zwischenfall auf dem Parkplatz
am vergangenen Freitag nicht mehr gesehen.
    Keiner der beiden lächelte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Per.
    »Klar«, entgegnete Max, erwiderte den Händedruck und nickte Jesper
zu, um zu signalisieren, dass er nicht grundsätzlich gefährlich war.
    Die Familie Mörner hatte einen weiteren Gast mitgebracht, den
Vendela nicht kannte: einen älteren, gebückt gehenden Mann mit grauem, nach
hinten gekämmtem Haar. Er stolperte, als er über die Türschwelle ging, und Per
packte ihn am Arm. Dann nickte er den Gastgebern zu.
    »Das ist mein Vater, Jerry Morner.«
    Jerrys Blick wirkte müde und leer, als er ihn langsam an Vendelas
Körper hinabgleiten ließ, während sie seine Hand schüttelte. Er sagte kein Wort
und wirkte insgesamt ein bisschen zerstreut. Unter die linke Achsel hatte er
sich eine alte Ledermappe geklemmt.
    Nach der Begrüßung schlurfte er einmal quer durch die Eingangshalle.
Vendela ging in die Küche, um die letzten Pasteten zu holen.
    Max stellte sich an den Bartresen vor dem Panoramafenster und bot
seinen Gästen wahlweise Whiskey, Dry Martini oder Saft an.
    Die Unterhaltung zwischen Hausherr und Gästen kam zwar langsam, aber
sicher in Gang und drehte sich zuerst um Vergleiche der verschiedenen Häuser am
Steinbruch. In erster Linie unterhielten sich die Männer, allen voran Max und
Christer Kurdin, die ihre Neubauten aneinander maßen. Sie konkurrierten um die
wildesten Geschichten. Vendela hörte, wie sich ihre Stimmen überlagerten:
    »Ich habe gesehen, dass Sie viele Glasfronten haben, aber unsere
Steinmauern sind im Hochsommer wahrscheinlich wesentlich kühler ...«
    »Souterrain? Ja, so gewinnt man natürlich mehr Fläche ...«
    »Die Zeit der Perstorp-Fassadenplatten ist vorbei, das ist sozialer
Wohnungsbau.«
    »Harmonische Proportionen sind immens wichtig, nicht nur der Entwurf
...«
    Zehn oder fünfzehn Minuten später hatte Vendela alle Platten
herausgetragen, und Max ermunterte die Gäste, auf die Veranda hinauszugehen. Im
Westen schwebte die Sonne über der schwarzen Silhouette des Festlandes wie ein
Gemälde in Rot und Gelb. Das Meer erstreckte sich als glatter dunkelblauer
Teppich davor.
    Max schaltete die Heizstrahler ein, die auf der Veranda angebracht
waren und schwach zu glühen begannen. Die kalte Abendluft wurde fast sommerlich
warm.
    »Sind alle da?«, fragte er und sah in die Runde, die sich auf der
Veranda versammelt hatte.
    »Ich glaube schon«, sagte Vendela.
    Max nickte, klopfte mit dem Messer an sein Weinglas und erhob die
Stimme:
    »Bitte setzen Sie sich! Freie

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