Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
Hahn. Dann sammelt sich die Schar
wieder und drängt sich dicht zusammen. Sie sind außer Gefahr.
    »Ruf die Feuerwehr!«, brüllt Henry seiner Tochter zu.
    Vendela rennt in die Küche und wählt die Notrufnummer der Feuerwehr
in Borgholm. Sie wird nach Kalmar weiterverbunden, es dauert unendlich lang,
bis sie endlich jemanden am Apparat hat und erklären kann, wo es brennt.
    Als sie wieder nach draußen kommt, sitzt der Invalide noch immer im
Gras, und Henry stürzt nach wie vor zwischen der Wasserpumpe und dem brennenden
Stall hin und her.
    Aber es ist zu spät. Das Feuer wütet die Wände hinauf bis übers Dach
des Viehstalls, und endlich gibt Henry mit einem tiefen Seufzer auf.
    Vendela bleibt wie angewurzelt auf dem Hof stehen und hört, wie das
Brüllen der Kühe langsam verstummt.
    Gegrilltes Fleisch, es riecht in dieser Nacht nach gegrilltem
Rindfleisch.
    Vendela spürt zwar die Hitze des Feuers, aber sie friert. Sie will
nicht länger draußen bleiben.
    »Vater ... kommst du mit ins Haus?«
    Er scheint sie nicht zu hören, dann aber schüttelt er den Kopf:
    »Das Feuer ist nicht schuld.«
    Vendela versteht nicht, was er damit meint.
    Eine ganze Stunde später erst kommt die Feuerwehr mit zwei
Löschfahrzeugen, aber sie kann nur noch verhindern, dass sich das Feuer weiter
ausbreitet. Der Stall ist nicht mehr zu retten.
    Es ist weit nach Mitternacht, als die Feuerwehr wieder abrückt.
Dichter Qualm hängt über dem Hof. Henry sitzt noch immer draußen auf der Treppe
in der Kälte. Er hat zwar den Invaliden längst wieder nach oben getragen, aber
er selbst geht nicht ins Haus. Vendela geht ein letztes Mal zu ihm hinaus.
    »Wer ist Jan-Erik, Vater?«
    »Jan-Erik?«, wiederholt Henry und scheint nachdenken zu müssen. »Das
ist mein Sohn ... dein Bruder.«
    »Mein Bruder?«
    Er sieht sie über die Schulter an.
    »Habe ich dir das nie gesagt?«
    Vendela starrt ihn an, sie hat tausend Fragen, stellt aber nur eine
Einzige:
    »Warum muss er nicht in die Schule gehen?«
    »Er darf nicht«, erklärt Henry. »Sie haben gesagt, es sei vergebliche
Liebesmüh, er sei nicht intelligent genug!«
    Dann wendet er sich wieder ab und starrt in die Dunkelheit.
    Vendela geht in ihr Zimmer, sie liegt kerzengerade und steif im Bett.
    Wahrscheinlich ist Henry die ganze Nacht auf, denn als er seine
Tochter am nächsten Morgen um sieben Uhr weckt, trägt er noch immer das
rußverschmierte Nachthemd.
    »Schule!«, sagt er nur. »Du konntest heute ja ein bisschen länger
schlafen, weil du nicht melken musstest.«
    Da nimmt Vendela den Rauchgeruch in ihrem Zimmer wahr und erinnert
sich an den Brand in der vergangenen Nacht. Und sie erinnert sich an den
Invaliden. Jan-Erik.
    Henry will das Zimmer wieder verlassen, bleibt aber dann einen
Moment in der Tür stehen.
    »Mach dir keine Sorgen um unsere Zukunft, ich habe die
Versicherungsunterlagen und die Prämienquittung, das wird sich alles regeln.«
    Da fällt Vendela siedend heiß ein, dass heute der Ausflugstag ist.
Die Klasse fährt nach Borgholm.
    Und sie kann mit. Sie hat nicht nur genug Geld für die Fahrt,
sondern muss sich auch nie wieder um die Kühe kümmern.
    Kurz darauf läuft sie über die leere Alvar, doch sie macht einen
großen Bogen um den Elfenstein. Sie will ihn nicht mehr sehen. Aber die Fragen
drängen sich ihr dennoch auf.
    Was hat sie sich eigentlich alles gewünscht, als sie am Tag zuvor am
Elfenstein stand? Sie kann nicht begreifen, was sie da getan hat, und will am
liebsten nicht daran denken, was die Elfen für sie getan haben.
    Die Klasse hat sich versammelt, mit Geplauder und Gelächter laufen
sie zur Bahnstation. Nur Vendela freut sich nicht, und sie redet auch mit
keinem. Der Rauchgeruch sitzt ihr noch in der Nase.
    Auf der Fahrt nach Borgholm sitzt sie mit Dagmar und den anderen
Mädchen in einem Abteil, aber es fühlt sich so an, als wäre sie in der Alvar
geblieben. Ganz allein. Von dem Besuch in Borgholm behält sie nichts, im
Schatten der nächtlichen Ereignisse gleitet der Tag an ihr vorbei.
    Als sie von dem Ausflug nach Hause kommt, drei Stunden nachdem sie
die Kühe hätte melken müssen, findet sie den Hof voller fremder Menschen vor.
    Die Polizei ist auch da – zwei Beamte aus Marnäs gehen bedächtig
über das Gelände und inspizieren den Ort des Geschehens. Der eine Giebel des
Wohnhauses ist schwarz, und der Stall ist bis auf das Fundament niedergebrannt.
Es ähnelt einem rechteckigen Bassin, das mit Asche gefüllt ist. Verbrannte
Holzplanken und

Weitere Kostenlose Bücher