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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Dachschindeln stecken in dem grauen Haufen. Mit ausgestreckten
Beinen liegen drei verkohlte Körper auf der Fläche, und über dem gesamten Hof
hängt der Geruch von verbranntem Fleisch.
    Rosa, Rosa und Rosa. Aber Vendela will nicht an sie denken.
    Auch die Nachbarn haben sich auf dem Vorplatz versammelt. Viele
Menschen aus Stenvik und von entlegeneren Ortschaften sind gekommen, um die
niedergebrannte Scheune des armen Witwers Henry Fors zu begutachten. Einige von
ihnen haben sogar Brote und Milch für die bedürftige Familie dabei. Henry
lächelt und bedankt sich hölzern, und Vendela macht Knickse mit glühenden
Wangen. Sobald sie kann, schleicht sie sich davon. Sie geht die Treppe hinauf
in den ersten Stock und drückt die Klinke herunter, aber die Tür ist
verschlossen.
    »Jan-Erik? Ich bin es, Vendela!«
    Keine Antwort, nicht einmal ein Kichern. Hinter der Tür bleibt alles
still. Sie geht wieder nach unten und sieht aus dem Küchenfenster.
    Einer der Männer, die aus Stenvik gekommen sind, ist groß und
schlank. Er blickt sich nachdenklich auf dem Hof um. Voller Mitgefühl unterhält
er sich mit ihrem Vater, als die Polizisten ihn plötzlich zu sich rufen.
Vendela beobachtet, wie ihr Vater die Wachtmeister in den Überresten des
Stalles herumführt und die Leichen der Kühe zeigt.
    Die Polizisten begutachten alles ganz genau, während Henry ins Haus
geht. Vendela sieht, wie sich der große Mann aus Stenvik nach einer Weile zu
den Polizisten gesellt und mit ihnen redet, er zeigt auf die Reste der Scheune
und deutet auf etwas am Boden.
    Die Beamten hören ihm aufmerksam zu und nicken schließlich.
    »Ich habe keine Ahnung, was die da draußen vorhaben«, murmelt Henry,
der sich an den Tisch gesetzt hat. »Die reden sich irgendetwas ein.«
    Dann fasst er Vendela an den Schultern und sieht ihr in die Augen.
    »Du musst mir helfen«, sagt er. »Wenn es Fragen gibt.«
    »Fragen?«
    »Wenn es Probleme gibt. Das wirst du doch tun, oder? Deinem Vater
helfen und zur Seite stehen?«
    Vendela nickt stumm.
    Etwa eine halbe Stunde später, die Dämmerung ist bereist
hereingebrochen, kommen die Polizisten in die Küche und tragen den Brandgeruch
mit hinein. Schwer lassen sie sich auf die Stühle am Küchentisch fallen und
sehen Henry forschend an.
    »Erzählen Sie uns, was Sie wissen, Herr Fors«, fordert der eine ihn
auf.
    »Ich weiß nicht viel.«
    »Wo ist der Brand zuerst ausgebrochen?«
    Henry legt seine Hände auf den Küchentisch.
    »Ich weiß es nicht, plötzlich hat es gebrannt. Ich habe immer nur
Unglück, immer. Dieser Ort bringt nur Unglück.«
    »Sie sind also vom Feuer geweckt worden?«
    Nur der eine Polizist redet, der andere mustert Henry die ganze
Zeit.
    Der nickt.
    »So gegen Mitternacht. Meine Tochter auch.«
    Vendela wagt es kaum, den Männern ins Gesicht zu sehen. Ihr Herz
schlägt so laut, als wolle es zerspringen. Jetzt in der Dämmerung tanzen die
Elfen ihre Reigen über die Wiesen der Alvar.
    »Wir gehen davon aus, dass das Feuer an zwei Stellen gleichzeitig
ausbrach«, sagt der redselige Wachtmeister.
    »Ach, wirklich?«
    »Ja, an der östlichen und an der westlichen Giebelwand. Und das ist
ein bisschen sonderbar, denn es hat ja so lange geregnet. Der Boden ist ganz
feucht.«
    »Jemand hat dort eine Kerze angezündet«, wirft der andere ein. »Wir
haben einen Klumpen Wachs gefunden.«
    »Tatsächlich?«, sagt Henry.
    »Du hast doch auch Petroleum gerochen, oder?«, fragt der eine Beamte
den anderen.
    »Ja, in der Tat, das habe ich.«
    »Dürfen wir bitte Ihre Schuhe ansehen, Herr Fors?«
    »Schuhe? Welche Schuhe?«
    »Alle«, antwortet der Polizist. »Alle Schuhe und Stiefel, die Sie
besitzen.«
    Henry zögert, aber dann geht er mit den Polizisten in den Flur und
zeigt ihnen seine Schuhe. Einer nach dem anderen wird hochgehoben, und Vendela
sieht, dass sie die Sohlen untersuchen.
    »Diese hier könnten es sein«, sagt der eine Polizist und hebt ein
Stiefelpaar hoch. »Was meinst du?«
    Der andere nickt.
    »Stimmt, das ist derselbe Abdruck.«
    Sein Kollege stellt die Stiefel auf den Küchentisch und sieht Henry
misstrauisch an.
    »Haben Sie Brennstoff im Haus, Herr Fors?«
    »Brennstoff?«
    »Petroleum oder so.«
    »Ja, das ist schon möglich ...«
    »Einen Kanister?«
    Vendela fällt wieder ein, wie das Feuer sich am Boden entlanggewunden
hat wie eine Schlange. Es war über den Boden gekrochen gekommen und die Wände
der Scheune emporgeklommen, als hätte es genau gewusst, welchen Weg es

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