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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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dir?«
    Marika und ihr Schwiegervater waren sich nur ein einziges Mal
begegnet, aber das war lange her, ein Jahr vor der Geburt der Zwillinge. Sie
hatte zuerst Pers Mutter Anita kennengelernt, mit der sie sich hervorragend
verstand, und dann wollte sie auch seinen Vater treffen. Eines Tages, an einem
Wochenende, waren sie in der Nähe von Kristianstad gewesen und hatten spontan
beschlossen, bei ihm vorbeizufahren.
    Per hatte sich inständig gewünscht, dass niemand zu Hause wäre.
    Aber Jerry hatte ihnen in einem dunkelblauen Seidenbademantel
geöffnet, unter dem er nur eine Unterhose mit Leopardenmuster trug. Er hatte
sie hereingebeten und ihnen Toast und schwedischen Kaviar und Maränenrogen
serviert. Dazu gab es selbstverständlich reichlich Sekt. Als sie sich verabschiedeten,
überreichte er ihnen als Präsent die neuesten Ausgaben seiner Zeitschriften Babylon und Gomorra – für die
Romantik!
    Danach wollte Marika ihren Schwiegervater nie wiedersehen.
    Aber jetzt, vierzehn Jahre später, standen sie sich also gegenüber.
Per war sich nicht sicher, ob Jerry seine Exfrau überhaupt wiedererkannte. Er
starrte sie finster an, aber das tat er im Moment bei jedem.
    »Jerry kann nicht mehr so viel sprechen«, erklärte Per. »Aber sonst
geht es ihm ganz gut. Stimmt doch, oder?«
    Sein Vater nickte und starrte Marika weiter unverwandt an.
    »Warst du schon bei Nilla?«, fragte Per.
    »Ja, ihr geht es ganz gut heute.« Sie sah ihn eindringlich an. »Ich
muss los, der Arzt wollte mich noch sprechen, kannst du bitte auch mitkommen?«
    Per schüttelte den Kopf, er hatte Angst, schlechte Neuigkeiten zu
hören.
    »Heute nicht.«
    »Aber es könnte wichtig sein«, wandte Marika ein.
    »Alle Gespräche über Nilla sind wichtig«, entgegnete Per
ausweichend. »Ich bin bald wieder zurück, aber Jerry und ich müssen noch eine
Sache erledigen. Und die ist auch wichtig.«
    »Könnt ihr das nicht verschieben?«
    »Nein, wir haben einen Termin.«
    Er wollte ihr nicht erzählen, dass sie zur Polizei mussten. Marika
nickte, sah aber verärgert aus.
    »Bis später«, sagte Per und lief den Gang hinunter zu Nillas Zimmer.
    Seine Tochter saß aufrecht und im Schneidersitz auf ihrem Bett, trug
ihren Pyjama und trank etwas aus einem Glas. Sie nickte ihrem Vater zu, setzte
das Glas aber nicht ab, sondern leerte es in einem Zug. Per musterte die
orangefarbene Flüssigkeit und fragte sie:
    »Was trinkst du denn da?«
    »Karottensaft«, erwiderte Nilla.
    »Hast du dir den selbst gekauft?«
    Sie leckte sich die Lippen und schüttelte dann den Kopf.
    »Emil hat ihn mir gegeben. Seine Mutter presst ihm dauernd Säfte und
mischt lauter Vitamine hinein, die ihn gesund machen sollen. Aber er mag den
Saft nicht.«
    »Aber du magst ihn?«
    »Der schmeckt ganz okay – und dann muss er ihn nicht trinken.«
    Draußen auf dem Flur hörten sie die scharfe Stimme einer
Krankenschwester, die einen Patienten fragte, was er im Gang zu suchen habe.
Der Patient murmelte etwas Unverständliches.
    »Ach so? Na, dann versuchen wir es mal mit einer Bettpfanne«,
erwiderte die Krankenschwester, und dann verhallten ihre energischen Schritte
im Flur.
    »Bleibst du?«, fragte Nilla. »Mama kommt gleich wieder, sie musste
nur eben noch mal zu dem Arzt.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich habe keine Zeit, Opa wartet draußen.«
    »Was habt ihr denn vor?«
    »Wir ... ach, wir drehen eine kleine Runde durch Kalmar.«
    Er log seine Tochter an, so wie er auch Marika angelogen hatte.
    Marika war schon weg, als er zum Fahrstuhl zurückkehrte. Jerry saß
auf einem Stuhl und hatte sein Handy ans Ohr gepresst, beendete aber das
Gespräch, als Per kam.
    »Mit wem hast du gerade telefoniert?«, fragte Per, während sie nach
unten fuhren. »Hat dich jemand angerufen?«
    »Bremer«, antwortete er.
    »Aber er ist tot, Jerry.«
    »Bremer wollte sprechen.«
    »Ach ja?«
    Per nahm Jerry das Handy ab und klickte sich durchs Menü. Schon
wieder UNBEKANNTE
RUFNUMMER .
    Sie setzten sich ins Auto, und Per startete den Motor.
    »Tu mir bitte einen Gefallen, Jerry«, sagte Per. »Erzähl der Polizei
nicht, dass Bremer dich angerufen hat. Sonst ziehen die eventuell falsche
Schlüsse!«
    Keine Antwort. Jerry schwieg, während sie durch Kalmar fuhren. Als
sie jedoch an einem Spielkasino vorbeikamen, dessen Fenster mit Folie beklebt
waren, heftete sich sein Blick darauf. Dann öffnete er den Mund und presste
zwei Wörter hervor, die Per nicht verstand.
    »Was?«, fragte Per. »Was hast du

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