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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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wilde Wolkenfetzen durchbrachen den Lichtschein. Kurz darauf unterquerten sie die Willigisbrücke, erreichten die Schiffsanlegestelle. Ilona fragte sich, wo er noch hinwollte.
    Â»Sollen wir nicht lieber umkehren? Es ist so spät.«
    Â»Nun sei kein Spielverderber, wir sind gleich da.« Er packte Ilona an der Hand und zog sie mit sich fort, ging jetzt schneller, als ob er einen wichtigen Termin hatte.
    Mitternacht, Geisterstunde, zuckte es Ilona durchs Hirn. Bestimmt wollte er wieder zu irgendeinem Hexenplatz oder Teufelsgelände, um sie dort um Mitternacht zu küssen. Ihr war das unheimlich. Sie versuchte langsamer zu gehen, aber sie kam nicht gegen ihn an.
    Â»Bitte, ich will zurück.«
    Sein Lachen war die Antwort. Seine Küsse verschlossen ihren Mund, diese heißen Küsse, die sie von der Teufelskanzel kannte.
    Â»Bitte, ich will nicht … «
    Â»Nun hab’ dich nicht so. Wir lieben uns doch!«
    Vorbei an der Orion, dem ehemaligen Minenräumboot der Marinekameradschaft Aschaffenburg, zog er sie zum Jachthafen.
    Â»Wo willst du bloß hin?«, wunderte sie sich.
    Â»Du wirst es gleich sehen. Dort vorne ist es.«
    Â»Was soll dort sein?«
    Â»Nun lass dich einfach überraschen.«
    Â»Ich will aber nicht überrascht werden, nicht so spät in der Nacht.«
    Eine neuerliche Serie von Küssen brachte Ilona zum Schweigen. Mein Gott, sie liebte ihn. Und er wusste das. Er zog sie mit sich und betrat mit ihr den Steg des Jachtklubs.
    Â»Was wollen wir hier? Wir können nicht einfach hier eindringen«, wehrte sich Ilona.
    Â»Mein Gott, Ilona, nun krieg dich wieder ein! Ich will dir mein Boot zeigen, jetzt wo wir uns schon länger kennen.«
    Ilona war sprachlos. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hätte es sich denken können. Er hatte Geld, seine Familie besaß eine der größten Kleiderfabriken Aschaffenburgs, da konnte er natürlich ein Boot haben.
    Â»Pass mit den Absätzen auf, nicht, dass du zwischen den Dielen hängen bleibst.«
    Â»Welches Boot ist es denn?« Ilona wurde neugierig.
    Â»Gleich sind wir da, noch ein paar Schritte.«
    Tatsächlich, da lag es vor ihnen, ganz am Ende des Steges, das größte Boot der gesamten Anlage.
    Â»Und das ist deines?«
    Â»Es gehört mir zusammen mit meinem Bruder. Wir benutzen es gemeinsam. Für heute habe ich es reserviert«, lachte er.
    Ilona war beeindruckt. Zehn Meter lang war das Boot mindestens, vielleicht sogar länger. Im vorderen Teil hatte es eine geschlossene Kajüte, in deren große Fenster man nicht hineinsehen konnte, da sie mit blauen Vorhängen verschlossen waren. Die hintere Hälfte war ebenfalls überdacht, konnte aber geöffnet werden, wenn man die Planen entfernte, die durch breite Kunststoffsichtfenster den Blick auf einen großzügigen Sitzplatz freigaben. Am Heck waren zwei Badeplattformen zu sehen. Auf dem Dach glänzten metallisch einige Geräte und die Funkantenne. Um die Jacht herum verlief eine Reling aus Aluminium. Ein zweistufiges Treppchen stand auf dem Steg, genau vor dem Boot. Er half Ilona beim Einsteigen.
    Â»Komm, setz dich, wir machen es uns noch ein wenig gemütlich.«
    Ilona ahnte, was das bedeutete. Er warf die Gastherme an, die sich auf dem Boot befand.
    Â»Gleich wird es warm werden, mein Liebling.«
    Er holte eine Flasche Champagner aus dem Kühlschrank und goss zwei Gläser ein. Sie war hin und her gerissen. Jetzt konnte sie ihm wohl nicht mehr widerstehen. Er hatte alles perfekt eingefädelt. Sie waren völlig allein in dieser Anlage, das Boot lag weit weg vom Ufer, kein Mensch konnte sie hören.
    Â»Ich liebe dich«, flüsterte er ihr ins Ohr und schenkte Champagner nach.
    Â»Ich dich auch.« Ilona merkte, dass sie schwach wurde. Der Champagner stieg ihr zu Kopf, vermischte sich mit Wein und verhalf ihr zu diesem teuflisch gleichgültigen Gefühl, das man am nächsten Tag bereute.
    Die Glocke der Stiftskirche schlug zwölf Mal. Mitternacht, Geisterstunde, dachte Ilona. Aber es ängstigte sie nicht mehr. Eigentlich hatte er ja recht. Man musste die Konventionen vergessen, wenn man liebte. Und um Mitternacht geliebt zu werden, war sicher besonders schön.
    Â»Wir müssen noch Blutsbrüderschaft feiern«, sagte er leise.
    Spinner, dachte sie, süßer, verrückter Spinner. Er stand auf, ging zum Führerstand und kam mit einem Taschenmesser

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